Dreiergespann der unheilvollen Verschwörung

Rudolf Höller (Rolf Becker) wird heiß und heißer. Er öffnet sein Hemd und den obersten Hosenknopf. Er zieht das weiße Hemd aus der Anzughose. Seine brav ergebene Schwester Vera (Maria Hartmann) streift ihm die Schuhe und Strümpfe von den Füßen und reicht ihm die Hausschuhe. Doch den Zuschauern im Ernst-Deutsch-Theater fröstelt es.

Der Ex-Lagerkommandant und heutige Richter will heute mit seinen Schwestern den 7. Oktober feierlich begehen. Schließlich ist es der Geburtstag von Himmler und damit ein würdiger Anlass, sich im trauter Familienkreise der gemeinsamen Überzeugung zu vergewissern, dass "wir bald wieder an die Macht kommen werden." Vera hat seine SS-Uniform schon gebügelt und auch die KZ-Jacke hat sie zurechtgelegt. Wenn da die "verrückte" Schwester Clara (Christiane Lemm) nicht wäre, die mit ihren linken Ideen die Familienidylle stören würde. Doch zum Glück ist sie gelähmt, an ihren Rollstuhl gefesselt und somit von ihren Geschwister abhängig. Sie kann ihren ewiggestrigen Geschwister nur ihr hasserfülltes Schweigen entgegen setzen.

Ein Meister solch bis auf die äußerste Spitze getriebener Beziehungskonstellationen ist Thomas Bernhard, der angeregt durch den Prozess um Filbinger "Vor dem Ruhestand" schrieb. Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger legt die Verschwörung der Geschwister vor der bühnenfüllenden, riesigen, braunen Schrankwand erschreckend bloß. Bernhard versprach im Untertitel eine "Komödie von deutscher Seele". Doch bei Sprenger ist niemandem zum Lachen zumute. Eher musste man sich warm anziehen gegen das Grauen, das einen anweht während dieses Stückes, das ein genial konstruiertes Bild der damaligen, deutschen Gesellschaft zeichnet. Ebenso wie diese Drei waren die Deutschen miteinander verstrickt in ihren gegenseitigen Abhängigkeiten, Ängsten und Dogmen, die keine Veränderung duldeten.

Als Höller nach der Pause seine SS-Uniform angelegt hat und dem "Fürst Metternich" zur Feier des Tages eifrig zugesprochen hat, zieht er plötzlich seine Dienstpistole. Er zielt auf seine Schwestern. "Wenn ich Lust hätte, könnte ich euch jetzt erschießen," lallt er. In diesem Moment ahnt vielleicht auch die treue Vera die Gefahr, die darin liegt Kumpanin eines Menschen zu sein, der keine Scham mehr kennt. Ein beklemmendes, spannendes und sehenswertes Stück.

Birgit Schmalmack vom 24.1.06