Traumfrau Mutter


Kritik von
Abendblatt
Welt
mopo

Das pralle Mutterleben

In das pralle, volle Leben einer Mutter nehmen die sechs Vertreterinnen dieser Gattung die Zuschauer des St.Pauli-Theaters mit. Dass die Reise in die eigenen Erinnerungen geglückt ist, beweisen die vielen nickenden Köpfe, die lauthals erkennenden Lacher und die begeisterten Kommentare. "Jetzt ist es klar, ich werden Mutter!", meint meine Nachbarin spontan beim Hinausgehen. Und das obwohl keines der zahlreichen Probleme des 24-Stunden-Jobs, der keine Bezahlung und keine Gewerkschaften kennt, verschwiegen wurde.

Das Mutterdasein ist eine endlose Reihe von Entscheidungen auf Leben und Tod. Schmusen oder Schlagen, das weiß die Mutter nie, und sie kann sich sicher sein, beides ist falsch. Der Vater glänzt durch Abwesenheit. Wenn er zugegen sein sollte, dann kommt er als halbtoter workoholic nach Hause und wünscht sich einfach eine aufgeräumte Wohnung, Frau und Kinder. Doch die Frau wünscht sich einen liebevollen Partner, der Interesse zeigt an ihrem Tagesablauf. Doch im Gegensatz zu ihm lebt sie in einer Welt mit wenig Worten und vielen Windeln. Linda (Ilona Schulz) hält ihrem Gemahl entgegen: "Du kannst vier Stunden deinem Schreibtisch verlassen, doch stell dir vor, was passiert, wenn ich vier Stunden unser Haus verlasse." Doch Anerkennung müssen sich die Mütter selbst geben. So finden sie sich in Club "Mama" auf Spielplätzen, Krabbelgruppen und Rückbildungskursen wieder. Ist nun die Geburt des Kindes der erste Schritt auf dem Weg zur Erleuchtung oder zur totalen Verblödung? Robin (Maria Schuster) muss ersteinmal die Hälfte ihres Wortschatzes aussortieren. Sie übt jetzt Deutsch, das für Eltern bis 6 Jahren freigegeben ist. Doch Deborah (Kathleen Gallego Zapata) erkennt mit der Zeit: Babys sind eine Mogelpackung: von Kuschelpaketen entwickeln sie sich zu aussaugenden Parasiten, die ihre Mütter ihr vorheriges Selbst rauben.

Doch bei all den Verlusten, den die Frauen zu beklagen haben, kommt in der Inszenierung von Ingolf Lück auch das Glücksgefühl und die Liebe nicht zu kurz. Wenn Alison (Cay Helmich) um das Leben ihrer Tochter bangt, glaubt man ihr sofort die Versicherung vom Anfang: "Für diesen kleinen Wurm würde ich mein Leben geben." Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der zum Schreien komische und doch anrührende Abend, der das Publikum begeisterte und zu dem Urteil veranlasste: Empfehlenswert!

Birgit Schmalmack vom 20.7.05