Bilder des Schreckens

Ganz im Zeichen des 11. Septembers konnte man die zwei nacheinander aufgeführten Darbietungen auf dem Kampnagel-Festival Laokoon am Freitag Abend sehen. "When they stopped to eat tomato" des japanischen Theaters DA M entließ den Zuschauer möglicher Weise mit mehr Fragen, als er zuvor hatte. Rätselhafte, sich widersprechende Körperaussagen machten die fünf Darsteller unter der Regie von Hiroshi Ohashi auf der schwarz-weißen, neonbestrahlten Bühne. Sie schienen dem Lichte zuzustreben, dann wieder in sich zusammen zu fallen, sie rasten hektisch über die Bühne, verharrten in Stille oder sie krochen mühsam auf dem Boden, sie gingen zaghaft aufeinander zu und blieben doch stets alleine. Immer wieder strauchelten die Fünf und stürzten zu Boden. Gleich danach rappelten sie stets wieder auf und ihr mühsamer Weg wurde fortgesetzt. Elektronisch verzerrte Geräusche von Kenichi Takeda und selbst ausgestoßene Schmerzens- und Angstschreie und Trauergesänge begleiteten sie. Ein Abend voller uneindeutiger Bilder, der sich Antworten verweigert.

Noch deutlicher wurde der Zusammenhang mit dem Gewaltakt in New York bei der Arbeit "Slight Return" von John Jesurun aus den USA. Er stellt einen nicht einsehbaren Kasten auf die Bühne, hinter dem der Darsteller verschwindet. Seine Aktionen innerhalb dieses eng umgrenzten Raumes werden nur von fünf Monitoren übertragen, wobei diese immer aus einem bestimmten Blickwinkel auf ihn schauen und somit nur einen Ausschnitt wiedergeben. In dieser distanzierten Betrachtung erzählt der Eingeschlossene in einem atemlosen Monolog vom Weltuntergang, den er scheinbar als einziger überlebt hat. Er befindet sich wahrscheinlich in einem kleinen Raumes eines Wolkenkratzer-Hotel und fragt sich, was ihn wohl erwartet, wenn es ihm gelingen würde es zu verlassen.

Jesurun machte es dem Zuschauer durch die gewählte Distanzierung schwer, die ausweglose, bedrückende Situation des Überlebenden in der angemessener Dramatik nachzuvollziehen. Mag die Medienkritik der ausschnitthaftigen Wirklichkeitswiedergabe auch so veratändlich geworden sein, blieb jedoch das unmittelbare Einfühlen in einen leibhaftigen Menschen auf der Strecke. Seltsam ungerührt blieb man von dem auf Bildschirme entrückten Weltchaos.

Birgit Schmalmack vom 7.9.02