Lebenswertes Leben?

Die Zuschauer sitzen in einem riesigen weißen Ballon, der ihre Stuhlreihen zusammen mit der Bühne umhüllt. Auf ihn werden Muster, Bilder und Farben projiziert. Musik, Töne und die Sprache sind über einen Kopfhörer zu hören, mit dem jeder Sitzplatz ausgestattet ist. Ein hoher technischer Aufwand, der sich lohnt: die Aufführung "Soft" auf Kampnagel bescherte ganz besondere Eindrücke. Bei all der Technik kommt jedoch die emotionale Seite nicht zuletzt durch die außergewöhnliche Besetzung des Back to Back Theatres aus Australien nicht zu kurz. Fünf geistig behinderte und zwei "normale" Schauspieler bilden das Ensemble.

Sie erzählen im ersten Teil von einem Ehepaar, das erfährt, dass ihr erwartetes Kind mit Down-Syndrom zur Welt kommen wird - wenn sie nicht der Abtreibung zustimmen. Die behandelnde Doktorin und die betreuende Krankenschwester sind allerdings nicht ganz unparteiisch. Da sie selbst mit diesem Gendefekt leben, brechen sie in wilde Beschimpfungen aus, als das Ehepaar sich zu dem schweren Schritt durchringt. Doch diese treibt die Sorge um: Wer wird unser Kind später mal lieben, wenn wir nicht mehr da sind?

Im zweiten Teil zeigt ein pfiffiger, kleiner Mann, der ebenfalls mit Down-Syndrom zur Welt kam, wie er selbst verbitterste Herzen erwärmen kann. Ein medizinischer Beamter soll seine Identität klären, da er ohne Papier im Park aufgegriffen wurde. Der Mediziner steht unter Dauerstress, wirkt unglücklich und verkrampft. Der Kleine schafft es ohne viele Worte, mit ab und zu einem verschmitzten Lächeln und neckischem Hochziehen der Augenbrauen, ihn zu erweichen: Er nimmt ihn einfach in den Arm. Diese Überraschung mit der einfachen Menschlichkeit wirkt. Die Episode endet wie ein schönes Märchen: Der Beamte will den Kleinen retten und an den Sicherheitskräften vorbei schleusen. Das gelingt ihm zwar nicht, aber dafür dem kleinen Pfiffikus: Er streichelt sie einfach in den Schlaf. Arm in Arm gehen die beiden davon und verabreden sich auf ein abendliches Bier.

Bei "Back to Back" wirkt dieses Happy-End nicht kitschig sondern anrührend. Die besonderen Schauspieler überzeugen durch ihre ganz eigene Persönlichkeit und glaubwürdige Echtheit. Regisseur Bruce Galdwin unterstützt sie durch ein kluges Konzept der ausgefeilten Professionalität, das die Stärken der einzelnen Akteure betont.

Birgit Schmalmack vom 16.9.03