Solange man lebt, kämpft man

"Verflucht seien alle Messer!" Diese Auffassung der wohlhabenden Gutsherrin ist durch ihre schmerzlichen Erfahrungen geprägt. Durch die kleinen, unscheinbar wirkenden Waffen musste die Ehefrau und Mutter zuerst ihren geliebten Gatten und später ihren älteren Sohn verlieren. Seitdem kann sie keine Sekunde ihres Lebens mehr unbeschwert genießen und wacht mit Argusaugen über ihren verbliebenen jüngeren Sohn. Nur ungern stimmt sie zu, als er um die Hand einer schönen, jungen, wohlhabenden Frau anhalten will. Zwangsläufig wird sie nun in ihrem weitläufigen Gutshaus allein zurückbleiben.

Nicole Heesters gibt die Gutsbesitzerin als stolze, dominante, starke Frau, die durch ihre unendliche Trauer und Wut auf die Gewaltbereitschaft der Männer für ihren Lebenskampf ein Ziel gefunden hat: Sie will das Andenken an ihre geliebten verlorenen Männer erhalten und weitere Mordtaten in ihrem Einflussbereich verhindern. Im Laufe der dramatischen Ereignisse der "Bluthochzeit" zwischen ihrem Sohn (Matthias Pantel) und der Braut (Saskia Fischer) muss sie allerdings zwecks höherer Werte ihren Vorsatz aufgeben. Die Braut flieht nämlich am Hochzeitstage mit ihrem ehemaligen Verlobten (Dirk Plönnissen), den sie aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln nicht ehelichen durfte. Zur Wiederherstellung der Ehre erlaubt die Mutter die bewaffnete Hetzjagd nach den Entflohenen.

Adelheid Müther inszenierte in einem vielsagenden Bühnenbild des Künstlers Kazuo Katase. Ein weißes, spitzzulaufendes Dreieck markiert den kargen, ausweglosen Spielraum im früheren Andalusien, wo Sittlichkeit, Ehre und Rache handlungsbestimmende Begriffe sind. Für Frauen und Männer sind nur vorgezeichnete Wege möglich, die den Aktionsraum genauso übersichtlich halten wie die schlichten, hochaufragenden Wände. Romantische Liebesbegriffe haben sich ebenso unsichtbar zu gestalten wie die Tische und Stühle, die in die Bühnen-Wände versenkt werden können.

Die mitunter altertümlich wirkende Sprache aus der Feder von Federico Garcia Lorca mit ihren allegorischen Überhöhungen klingt für heutige Ohren zum Teil sehr artifiziell. So werden auch an die Schauspieler hohe Anforderungen gestellt, die nicht alle so gut meistern wie die Hauptdarstellerin. Besonders die Figuren der Männer bleiben etwas blass. Einzig der Sänger Mario Ramos macht aus seiner Interpretation des Mondes eine beeindruckende Leistung, die zeigt, wie ein wahrer südländischer Macho selbst durch die Bewegung eines kleinen Fingers dargestellt werden kann.

Müther schafft mit folkloristischen Gesänge mit leichter Gitarrenuntermalung die Übergänge zwischen den einzelnen Bildern. Durch Straffung des Textes erhöht sie die Aktionsgeschwindigkeit der Geschichte. So steht an der Spielzeiteröffnung des Ernst-Deutsch-Theaters eine Inszenierung, die Mut zu großen Gefühlen beweist und die sich bewusst unzeitgemäß jeder modernen Relativierung verweigert.

Birgit Schmalmack vom 23.8.03