Liebgewordene Klischees

Baquira Alfredo aus Angola spielt die junge Braut in "Die Kinder der Regenmacher". "Das ist doch Schwachsinn: "Nie würde ich einen Mann heiraten, der sich eine zweite Frau nimmt!", kommentiert sie am Ende ihre Rolle.

Die neue Inszenierung von Hajusom, dem Theaterprojekt für Flüchtlingskinder in Hamburg, spielt mit den Vorurteilen zwischen den verschiedenen Kulturen ihrer Mitglieder und denen der Zuschauer. Dazu haben sie sich dieses Mal neben ihren eigenen biographischen Erfahrungen eine afrikanische Geschichte als Grundlage ausgesucht. Die afrikanischen Schauspieler erzählen zwischen drei Zelten auf der K3-Bühne auf Kampnagel von einer arrangierten Ehe in einem afrikanischen Dorf und den späteren Schwierigkeiten, als eine Zweitfrau die erste eifersüchtig macht. Die übrigen iranischen und afghanischen Hajusom-Mitglieder kommentieren sie durch ihre Tätigkeit als Reporterteam, das das typische afrikanische Leben einem fernen Publikum im Fernsehsessel nahe bringen möchte - allerdings ohne allzu stark an vorhandenen Vorurteilen rütteln zu wollen; denn auch sie pflegen lieber ihre eigenen. So sehen diese Männer hauptsächlich "die hübschen afrikanischen Mädchen in schönen farbenfrohen Kleider" und beneiden die Afrikaner um ihre vermeintlich einfache Kultur der Vielweiberei. Beim Versöhnungsessen, dessen Wohlgerüche sich währende der 90minütigen Vorstellung allmählich in der Kampnagelhalle verbreiten, sind die Differenzen zwischen den rivalisierenden Frauen durch die Vermittlung der verhandlungsstarken Mutter geklärt. Sie hatte als Geste des guten Willens ein speziell kreiertes Bananenbier gefordert, das bei einem spektakulären Stampf-Rap auf französisch in einem Banana-Schlauchboot aus Flensburger und einer Kiste Bananen gebraut und als Versöhnungsgeschenk des reuigen Ehemannes akzeptiert wird.

Unter der Regie von Dorathea Reinicke und Ella Huck werden die Erzählebenen geschickt verknüpft und mit eingestreuter Ironie, die in die Jetztzeit springt, gebrochen. Immer wieder lassen sie Raum für das Spiel mit den Klischees, sowohl der Spieler wie auch der Zuschauer, die als potentielles Publikum für den Film des Journalistenteams dienen, wenn der entstandene Film zum Schluss in einer "einmaligen" Aktion versteigert wird.

Birgit Schmalmack vom 15.12.02