Herr Puntila und sein Knecht Matti


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Selbst sein größter Feind sein

Der nüchterne Puntila (Norman Hacker) ist der größte Feind des betrunkenen Puntila. Diese Selbsterkenntnis zermartert den finnischen Gutsherrn. Nur wenn er genügend Flüssiges in sich hineingeschüttet hat, kann er die Zustände von sinnloser Nüchternheit verhindern, die sein gutes Herz verkümmern lassen. In diesem Zustand ist er zurechnungsfähig, was er so interpretiert, dass ihm alles zu zutrauen ist. Doch Puntilas innere Zerrissenheit geht tiefer. Er ist unabhängig von seinem Alkoholpegel nur zu sehr schwankenden Verhalten in der Lage. Genau dieses Wechselbad der Gefühle, unter dem Puntila selbst und seine Umgebung zu leiden haben, macht ihn einsam.

Allein steht er zu Beginn der knapp zweistündigen Aufführung von "Herr Puntila und sein Knecht Matti" in vermeintlicher Siegerpose am Rande der Bühne und blickt verächtlich auf den am Boden liegender, unter den Tisch getrunkenen Freund herab. Da taucht unerwartet der Chauffeur Matti (Andreas Döhler) auf. Der zu Verbrüderung neigende Puntila erkennt in ihm sogleich einen Freund und nicht einen Untergebenen. Fortan ergeben sie ein Gespann, das sich gegenseitig die Rollen zuweist. Ist Puntila nüchtern, wird Matti zum stammelnden Knecht. Ist Puntila betrunken, gewinnt Matti an Selbstbewusstsein und ist ihm ein diplomatisches Gegenüber.

Puntila ist voll kindlicher Lebensfreunde und -gier. Neugierig auf Gefühle, Erlebnisse und Menschen provoziert er gerne. Er setzt auf volles Risiko. Rücksichten auf sich oder andere nimmt er nicht. Matti ist ihm dagegen ein Ruhepol, der mit gleich bleibender Gelassenheit seinen Mann steht. Beeindruckend auch für Puntilas Tochter Eva (Katrin Wiechmann), die eigentlich dem blassen Attache (Ole Lagerpusch) versprochen ist, aber angesichts dieses ganzen Kerls schnell die Lust auf ihn verliert. Matti nimmt alle Angebote der beiden zur Kenntnis, erkennt aber messerscharf, dass sie nur aus einer Laune heraus gemacht wurden und schlägt sie aus.

Michael Thalheimer inszeniert seinen "Herr Puntila und seine Knecht Matti" am Thalia Theater mit ähnlicher Gelassenheit. Sorgsam analysiert er die Persönlichkeiten der Hauptfiguren und ihre Beziehungen zueinander. In den schlichten Bühnenkasten von Henrik Ahr, der nur aus zwei Wänden besteht, die in einem rechten Winkel aufeinander zulaufen, stellt er die Personen zur Besichtigung aus. Nur von den metallenen Oberflächen gespiegelt, werden sie immer auf sich selbst zurückgeworfen.

Zum Schluss besteigen Puntila und Matti in einer Fantasiereise den Hatelmaberg. Nur Matti kehrt danach wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Puntila löst sich in dieser transzendenten Szene auf.

Das Premierenpublikum feierte am Samstag die Aufführung mit lang anhaltendem Applaus.

Birgit Schmalmack vom 12.3.07