Warten auf Godot


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Was machen wir jetzt?

"Mir ist so langweilig", nölt der rundliche Estragon (Timo Dierkes) wie ein kleines Kind. "Was machen wir jetzt?" fragt er seinen Kumpanen Wladimir (Johannes Silberschneider). Der hagere Didi soll sich etwas einfallen lassen, um seinen Weggefährten Gogo zu unterhalten. Denn sie müssen sich die Zeit vertreiben um auf keinen Fall ins Nachdenken zu verfallen. Sie müssen Späßchen machen, quatschen oder einander ärgern, um die Stimmen zu übertönen, die sie sonst hören würden. Vielleicht dürfen sie sich aber auch keine Ruhepause gönnen, weil sie sonst wohlmöglich an der Langeweile sterben würden. Dann schon lieber einen Strick nehmen und sich an dem einzigen Baum weit und breit aufhängen. Doch selbst der Strick, den Gogo als Gürtelersatz trägt, taugt nichts. Er reißt in der Mitte durch.

Aufbrechen zu neuen Zielen wäre vielleicht eine gute Idee. Doch da gibt es etwas, was die Beiden genau an diesem öden, leeren Platz verharren lässt: Sie "warten auf Godot". Gefangen in der Idee, dass sich ihr Dasein irgendwann doch einmal auszahlen werde, harren sie aus. Ein weiteres Pärchen kreuzt auf: Der herrische Unmensch Pozzo (Gerhard Gerbers) und sein Knecht Lucky (Roland Renner), den er wie einen Hund an der Leine herumführt. Die Rollen sind klar verteilt. Pozzo glaubt sich frei und hält Lucky für den Gefangenen. Doch in der nächsten Begegnung der Vier wird klar: Pozzo, der nun blind geworden ist, ist von seinem mittlerweile stummen Lucky genauso abhängig wie umgekehrt.

Michael Bogdanov hat an den Hamburger Kammerspielen einen texttreuen Beckett inszeniert. Die Szenerie mutet endzeitlich an. Eine eingerissene Betonmauer wird auf dem rechten Bühnenrand sichtbar und ein abgestorbener Baum auf dem linken. Die Gestalten Estragon und Wladimir in ihren verschmierten schwarzen Anzügen erinnern oft an Hardy und Stanley, wenn ihre Komik auch von Zeit zu Zeit in eine Lebenstragik umschlägt.

Jeder wird in diesem Beckett etwas anderes sehen können. Man kann sich von den beiden existentialistischen Komikern einfach gut unterhalten fühlen. Man kann aber auch einen Hauch der großen Langeweile des Erdendaseins spüren oder das sinnlose Hoffen der Menschen auf etwas Erlösendes betrachten. Bogdanov entscheidet sich nicht für eine Deutungsweise sondern versucht die Balance zwischen allen Anteilen zu halten. Dank der hervorragenden Schauspieler gelingt es ihm.

Birgit Schmalmack vom 30.1.07