Finale 07


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Bisherige Kritiken zu
"Troja Love" und "Mamma Medea"
"Iwanow"
"Die Gerechten"
"Krankheit der Jugend"
"Z"
"4.48 Psychose"

Elektra


Teufelskreis der Gewalt

Die beiden Männchen mit dem runden Ballon-Kopf und der piepsigen Stimme, die zum Schluss auf die Bühne wackeln, machen es mit ihrer einfachen Sicht auf die Geschichte deutlich: Wenn der Teufelskreis der Gewalt nicht gestoppt wird, gebiert er neue Gewalt, die zu immer größerem Leid führt.

Doch Elektra will sich dieser Erkenntnis nicht beugen. Die kluge Tochter von Agamemnon hat all ihr Denken und Tun der Rache für ihren ermordeten Vater gewidmet. Sie will, dass ihre Mutter, die im Verbund mit ihrem neuen Mann den Vater mit dem Beil erschlagen hat, für die Tat büßt. Dafür hofft sie auf die Rückkehr ihres Bruders Orest. Er soll ihr und dem Blute ihres Vaters Genugtuung verschaffen. Die zweite Schwester dagegen will möglichst schnell vergessen. Sie will sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern möchte rasch eine bessere Zukunft die früheren Erlebnisse verdrängen lassen. Für Elektra eine Vorstellung, die eines Tieres aber nicht eines Menschen würdig wäre.

Regisseurin Nina Mattenklotz widmet sich in ihrer Inszenierung des Textes von Hugo von Hofmannsthal ganz den Gefühlen, Stimmungen und Gedanken von Elektra. In Zoe Hutmacher hat sie eine virtuose Darstellerin ihres komplexen Charakters gefunden. Im Bühnenbild von Silke Rudolph, das ein von dicken schwarzen Planenwänden umgebenes Dreieck als Gefängnis ihrer Rachegedanken zeichnet, hadert und zürnt sie gegen ihre Mutter, gibt sie sich ganz ihrer Wut und Wunsch nach Vergeltung hin und verzichtet doch auf eine selbst bestimmte Gestaltung ihres eigenen Lebens. Erst ihr Bruder soll alles richten. Erst als er kommt und die Tat vollbringt, kann sie erahnen, dass sie jetzt keineswegs "tanzen" wird, wie sie sich es erträumt hat. Sie erstarrt und fällt zu Boden.

Die nächste Aufführung am Samstag belegte eindrucksvoll, dass Humor eben doch Geschmacksache ist. Die Inszenierung von Stefan Moskov "Bad Weather makes a good story" mit den Schauspielstudenten der Theaterakademie machte diese Binsenweisheit deutlich. Während viele Publikum von seiner eigenwilligen Interpretation des "Sturm" von Shakespeare begeistert in Glucksen und Lachsalven ausbrachen, fanden andere die Clownsnummern, die sich am Schnürchen auf der Bühne abwickelten, gar nicht witzig. Doch eines mussten auch sie den Regisseur und seinen engagierten Darstellern lassen: Überbordende Fantasie an Bildern, Ideen und Mitteln der Umsetzung hatten sie eindeutig bewiesen.

Birgit Schmalmack vom 10.7.07



Tolles Finale 06

Das Finale der Theaterakademie im Malersaal fügt sich gut in die Partystimmung auf den Straßen ein: Viel interessantes Theater war zu sehen gewesen in der einen Woche vom 3.7 -8.7.06 und gab Anlass zum Feiern.

Einige Arbeiten ragten aus den gezeigten Stücken heraus. Mit "Satori Chicken" begab sich Regisseurin Jette Steckel auf die schwierige Suche nach Sinn und Wahrheit. Eine junge intelligente Frau (Bettina Kerl) versucht an der Universität Weisheit statt Wissen zu bekommen, doch sie findet keine Antworten auf ihre Fragen. Ernüchtert wendet sie sich der Religion zu. Das gefällt ihren ebenso geistreichen älteren Bruder (Wolfgang Menardi) gar nicht. Zusammen begeben sie sich auf den mühseligen Weg der Erkenntnis. Das grandiose Bühnenbild von Florian Lösche zeigt eine ansteigende Ebene, die wie eine Tafel beschichtet ist. Auf ihm können beim Abgleiten alle Fragen mit Kreide notiert und ausradiert werden. Die hervorragenden Schauspieler loten gekonnt jeden Ton ihrer Sisyphos-Arbeit aus. Die kettenrauchende Mutter (Verena Reichhardt) mit ihrem Patronenhalfter am Kleid, der statt mit Munition mit Zigaretten bestückt ist, ist ein kostümbildnerisches Highlight am Rande. Eine herausragende Inszenierung.

Eine weitere runde Arbeit ist "Z." in der Regie von Nino Haratischwili. Eine Frau (Nadine Nollau) und ein Mann (Jacob Weigert) sind zusammen in einem Unigebäude eingeschlossen worden und müssen eine Nacht zusammen verbringen. Wie sich dabei auf die Nerven gehen, langsam auf die Pelle rücken und immer intimer werden, ist ein tiefgründiges Kabinettstückchen, das kaum eine Frage unberührt lässt. Identität, Glück, Liebe, Sex, Wünsche, Träume und Ernüchterung - alles wird im Laufe der langen Nacht zum Thema.

Erwähnen muss man außerdem ein weiteres Stück: "Das Mädchen aus der Streichholzfabrik" nach Kaurismäki in der Regie von Julia Hölscher. Eine sehr ungewöhnliche Arbeit mit dem Mut zu einer provozierenden Form. Über weite Strecken wird ganz auf Worte verzichtet. Die Regisseurin lässt ihre Darsteller durch sparsame Bewegungen und Geräusche Stimmungen erzeugen und Geschichten erzählen. Das gelingt größtenteils, erforderte aber einen hohen Grad an Aufmerksamkeit bei den Zuschauern.

Andere Stücke zielten eher darauf ab, den jungen Schauspielern (hier aus dem 3. Semester)Gelegenheit zum vielfältigen Spiel zu geben. In "Ha! Dieser Brief!" konnten sie ihre Talente in einzelnen Szenen aus "Kabale und Liebe" in ständig wechselnder Besetzung zur Geltung bringen. Trotz der Kürze der Zeit und Verknappung der Handlung konnten sie die Konflikte eindringlich herausgearbeiten. Ihre komischen Talente bewiesen sie dagegen in "...und noch mal über die Liebe oder es tut verdammt weh". Fünf tragik-komische Liebesgeschichten wurden in der lockeren Szenenfolge mit gleicher Besetzung erzählt.

Schon jetzt darf man gespannt sein auf das nächste Finale, das zum Glück nicht erst in vier Jahren stattfinden wird.

Birgit Schmalmack vom 11.7.06