Konfetti


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Viele bunte Gedankenschnipsel

Anne Weber steht am Rand des heruntergekommenen Vorstadtfestsaales und wirbt voller Enthusiasmus um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Sie versucht sie mit dem Thema der um sich greifenden Politikverdrossenheit und der des dennoch notwendigen Engagements jedes Einzelnen zu fesseln. Auf der kleinen Saalbühne hinter dem hässlichen braunen Sky-Vorhang sorgt derweil Bernd Moss mit seinem Konkurrenzprogramm für Ablenkung. Seine Späßchen und Kunststückchen ziehen die Blicke und Gedanken der Zuschauer magisch an und lassen die engagierte Anne Weber blass am Rand stehen, trotz ihrer roten langen Mähne, die sie wütend um sich wirft. So verlässt sie ihren Posten und zieht schimpfend durch das Haus. Sie wettert gegen den Vergnügungsfaschismus mit dem allgegenwärtigen fun-Faktor, der mit immer neuem Bombardement von Spaßkulturablegern auf die Konsumenten hernieder prasselt. Ihre Ohren müssten selbst im Flugzeug die launigen Durchsagen des Kapitäns ertragen, dessen Job es doch eigentlich nur ist, seine Passagiere konzentriert und sicher an ihr Ziel zu fliegen. Alle bemühten sich stets so überaus witzig zu sein. "Mein Leben ist so Lätta!" Grausamer könnte das Lebensmotto einer Zielgruppe kaum beschrieben sein.

Das ist ein Höhepunkt in der neuen Produktion "Konfetti" von Ingrid Lausund, die am Freitag Premiere im Schauspielhaus hatte. Nach einem für Lausund-Verwöhnte schwachen Anfang mit Gesprächen über den letzten Therapeutenbesuch, Tipps zur Herstellung von Konfetti und ersten Zauberübungen musste die Show um die von der Politik Verwirrten erst an Spannung gewinnen.

So erzählt Bjarne Mädel eine für Lausund typische kleine Geschichte. Die Fungi-Pizza vom Lieferservice bleibt ihm vor dem Fernseher im Halse stecken, als er in einer Reportage die Körperteile eines von einer Bombe zerfetzten Menschen durch die Luft fliegen sieht. Hin- und hergerissen zwischen dem Hunger und seinen ethischen Bedenken wirft er seine Pizza zunächst in den Müll, um sie wenig später wieder heraus zu holen, als ihm die hungernden Kinder in Afrika einfallen.

Superstar-Siegerin Sarah Masuch freut sich "total" über ihren überraschenden ersten Platz und bedankt sich auf englisch bei ihrer Mama, die sicher "total" stolz auf sie sei. Hier, und nicht in der Politik, sind die Idole und Ideale zu finden, für die Anne Weber werben wollte - mag die weltpolitische Situation auch noch so sehr die Gemüter erhitzen. Die Menschen ziehen sich lieber in ihre heile Sofa-Unterhaltungswelt zurück und besorgen sich die nötigen Emotionen lieber mit künstlich-inszenierten Aufregungen.

Wenig Vertrauen scheint Ingrid Lausund dieses Mal in das Abstraktionsvermögen der Zuschauer zu haben. So wird sie lieber deutlich: Wenn sie meint, dass auf der Bühne ziemlich viel Unrat produziert wird, fallen hinter den Schauspieler schon mal braune, stinkende Häufchen und Haufen zu Boden.

Die aktuellen Stellungnahmen zu Thema Irak-Krieg sind ebenso unmissverständlich kritisch eingeflochten. Sarah Masuch und Bjarne Mädel bomben sich gegenseitig von dem Haus über Stadt und Land bis zum Universum und Gott alles weg. Überdeutlicher kann der Irrsinn der gegenseitigen Vernichtung nicht ausgedrückt werden, der gewohnte Hintersinn scheint Lausund bei diesem Thema vergangen zu sein.

Ihre gefeierte Vorgängerstücke "Hysterikon" und "Bandscheibenvorfall" im intimeren Malersaal zeigten mehr Stringenz und Hintergründigkeit als ihr neues auf der großen Bühne. Einige Sequenzen bleiben auf witzigem Unterhaltungsniveau mit vielen Zaubertricks, Spielchen und Gesangseinlagen mit Zauberstab und viel Konfetti. Sollte Lausund sich in ihrem eigenen Motto der vielen bunten, witzigen Gedankenschnipsel verfangen haben? Oder wollte sie selbstironisch beweisen, wie gut Amüsement beim Publikum ankommt? Der tosende Applaus am Schluss gab ihr in dieser Hinsicht Recht und belegte, dass dieses Experiment aufging. Die Zuschauer dankten ihr und den Schauspielern den kurzweiligen und politisch korrekten Showabend mit viel Beifall.

Birgit Schmalmack vom 15.02.03

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