Hilfreiches Rautenkommunikationsmodell

Eine abendliche Runde im Bekanntenkreis: Das Gespräch schleppt sich etwas dahin. Doch dann fällt das Stichwort "Neue Telefonanlage": Sofort fällt jedem eine langwierige Leidensgeschichte ein, die er zum Besten geben kann. Wer hätte es nicht schon erlebt, dass sich bei Ausfällen die Techniker der Telekom und die der Konkurrenz gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben? Dabei kaschieren alle gerne mit vielen Fachbegriffen gegenüber den leidtragenden und zahlenden Kunden, dass auch sie schon lange den Durchblick im Kabelwirrwarr der sich stetig verändernden Technik verloren haben. Das Ziel war zwar einmal, die Kommunikationsfähigkeit der Menschen zu erhöhen, doch mittlerweile schient wohl in der Vielfalt der Möglichkeiten sogar die grundlegende Technik der menschlichen Begegnung abhanden gekommen zu sein.

So ist es folgerichtig, wenn ein Kommunikationsseminar am Anfang der neuen Produktion "ISDN- irgendwas stimmt da nicht" von Marcel Weinand im Lichthof steht. Das Rautenkommunikationsmodell, das Kernstück dessen, was Frau Bonsell (Erika Bradinal) ihren Seminarteilnehmern beibringen möchte, wird sich ihnen im Laufe des Abends noch als nützlich erweisen. Schließlich wollen die neuen Kontakte aus dem Seminar genutzt und gepflegt werden. Wenn man nur wüsste wie. Da kann das Rautenmodell, mit dem man vom Wetter zu Schnee über festes Schuhwerk und Wanderung problemlos zu Ikea gelangen kann, vielleicht eine tragfähige Gesprächsbasis erschaffen. Hilfreich für schüchterne PC-Freaks wie Herrn Möller (Klemens Heinen), esoterisch angehauchte Single-Frauen mit eigener Massage-Praxis wie Frau Will (Constanze Rheinholz) , selbstbewusste Kunstbuch-Verlagsgründerinnen wie Frau Jaspers (Monika Reinboth) , kichernde Copy-Shop-Mitarbeiterinnen wie Yvonne Köster (Sarah Manteufel) oder Möchtegern-Filmemacher wie Wolf Grewers (Johann Meiner). Allesamt genauso einsam wie der Co-Leiter des Seminars, der Psychoanalytiker Schwarz (Gerd Pape), der nur ein altmodisches Drehscheibentelefon und keinen Anrufbeantworter besitzt, und die Vortragende Frau Bondell, die ohne ihren PC-Engel Gabriel (Peter Borkamp) nicht mal den Beamer bedienen kann.

Im Großraumbüro können an den einzelnen Büroplätzen alle Probleme dieser Figuren parallel verfolgt werden. Da klingeln in der einen Ecke alle Telefone von Frau Jaspers gleichzeitig, da wickelt sich in der anderen statt des Druckerpapiers der Schlips von Herrn Möller im Drucker auf, da versucht der Analytiker in der Mitte die schicke Frau Jaspers mit seinem neu angeschafften AB zu beeindrucken, da kommuniziert Frau Köster hinten seit drei Jahren nur noch über dieses Gerät mit ihrer Mutter und da springt Gabriel bei ihren ständigen Problemen als rettender Engel zwischen allen hin und her. Der Text von Dásá Székely sorgt mit hohem Wiedererkennungswert für viele Lacher im Publikum, das die Arbeit vom Weinand-Team bei der Premiere mit freundlichem Applaus bedachte. Langjährige Zuschauer dürften aber bemerkt haben, dass sie im Vergleich zu seinen letzten wie "Ding-Dong" und "Brecht-Ikea", die mit witziger, bissiger Ironie die menschlichen Handlungen aufspießten, etwas zahmer daherkommt.

Birgit Schmalmack vom 28.3.04