hamburgtheater vom 13.10.03

Politische Konflikte als Verwechselungskomödie

Tuvia Tenenbom meinte einmal, dass den Deutschen nach Hitler der Humor abhanden gekommen sei. Einen Beweis dafür wird er wohl am Freitag zur Premiere seiner "Letzten Jungfrau" in den Kammerspielen vom Publikum geliefert bekommen haben. Das Lachen ist vielen Zuschauern bei seinem Versuch, den Israel-Palästina-Konflikt witzig auf die Aspekte Sexualität und Gewalt herunterzuschrauben im Halse stecken geblieben.

Da treffen sich in einem Jerusalemer Pub drei Männer, die alle vorgeben Araber zu sein und verabreden mit Hilfe einer Märtyrerin die Jüdische Klagemauer in die Luft zu sprengen - jeder aus dem ihm eigenen Motiven. Denn nach etlichen boulevardtauglichen Verwechselungseinlagen stellen sie sich als ein Jude, ein Europäer und ein tatsächlicher Araber heraus. Die Jungfrau wird zu ihrem Selbstmordattentat in Ermangelung weiblicher Belohnungen im Märtyrerparadies durch eine gewaltlose Vergewaltigung des vorgeblichen Judens vorbereitet und von dem vermeintlichen Araber durch einen persönlichen sexuellen Aufklärungsunterricht gleichzeitig gereinigt und für ihre späteren paradiesischen Aufgaben als Jungfrau im Himmel ausgebildet.

Eine Aneinanderreihung von Klischees und Abziehbildern und ansonsten völlige Inhaltsleere vermag wohl kaum den im ungewöhnlich inhaltsreichen Programmheft anvisierten Dialog zwischen den Religionen zu verbessern. Tenenbom hatte sich auf die Fahnen geschrieben, alle Religionsvertreter gleich lächerlich dastehen zu lassen. Dafür reichte seine selbst attestierte Objektivität leider nicht, denn nur die islamischen Vorstellungen werden in sich stets wiederholenden Plattheiten und in aller Breite ausgeführt. Für den jüdischen und den christlichen Vertreter fallen nur der auch für Mafia-Bosse geltende Wunsch nach Gewalt und Macht ab.

Das in New York gefeierte Stück mag das amerikanische Publikum mit seinen Scherzen über die dümmliche Paradies- und Gewaltgläubigkeit der Araber zum befreienden Lachen angeregt haben, das deutsche mag nicht ganz so leichtfüßig über seine geschichtlichen Erfahrungen hinweggehen. Da vermochte auch der rhythmische Oriental-Pop, der überall auf den Gängen, im Foyer und in der Pause dröhnte, nicht die Stimmung des Publikums so zu fördern, wie es den unbeschwerten Unterhaltungsabsichten Tenenboms entsprach.

Birgit Schmalmack vom 13.10.03