Räuber


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von
abendblatt vom 13.10.
mopo
Welt
abendblatt (Bericht)

Identitätssuche

Um Identitäten geht es: Das wird schon in der Eingangsszene deutlich: Gleich vier Darsteller spielen den Franz von Moor und seinen Vater. Immer wieder wechseln die vier Männer die Rollen, sprechen chorisch die zwei Personen. Dieses Motiv zieht sich durch die Inszenierung von Nicolas Stemann des Schillerschen Stoffes. Auf der Suche nach dem eigenen Ich, nach dem Gegenüber und nach dem Vater gibt es so die beiden Brüder Karl und Franz in vierfacher Ausfertigung. Stemann inszeniert das Drama als Sprachoper. Er benutzt die kraftvolle Sprache Schiller, um ihrem Rhythmus, ihrem Klang und ihrer Energie mit musikalischen Mitteln nachzuspüren.

Die vier Männer (Felix Knopp, Daniel Hoevels, Alexander Simon, Philipp Hochmair) sind eine perfekte Männercrew, die später bestens zur Räuberbande mutieren können. Wenn sie johlend und Bier trinkend durch die Reihen stoben und "Freiheit" ausrufen, bekommt man ein Gefühl dafür, welche Motive bei ihrem Vorhaben im Vordergrund standen. "Stehlen, morden, huren, balgen" ist der Song ihres Männerbundes, der von den zwei auf der Bühne befindlichen Musikern zusammen mit Felix Knopp an der E-Gitarre und Alexander Simon am Schlagzeug mit dröhnenden Bässen intoniert wird.

Karls ursprünglicher Beweggrund war jedoch noch ein anderer: Durch die Intrige seines zweitgeborenen, neidischen Bruders glaubte er sich von seinem Vater verstoßen und enterbt. Deshalb schloss er sich der Bande an und wurde ihr Anführer. Nach Jahren des Blutvergießens kehrt er in seine Heimatstadt zurück und muss erfahren, dass sein ganzer Lebensweg auf einer Lüge seines raffgierigen Bruders beruht, der mittlerweile seinen Vater ins Grab gebracht hat. Er steht vor dem Scherbenhaufen seines Lebens. Auch eine Verbindung mit der ihn noch immer liebenden Amalia (Maren Eggert) ist unmöglich geworden. Keiner der Vier ist der, den sie in ihrem Herzen liebt.

Stemann lässt die Szenen auf der Metallrückwand mit Digitalaufnahmen aus einer Miniatur-Modelllandschaft illustrieren, die in ihrer Künstlichkeit einem Kitschfilm entnommen sein könnten. Er vollbringt das Wunder gleichzeitig die Geschichte immer wieder ironisch zu brechen und dennoch die Figuren in ihrem Schicksal ganz ernst zu nehmen. Das ihm das bei seinem künstlichen Konzeptansatz gelungen ist, hat er auch den virtuosen Schauspielern des Thalia-Ensembles zu verdanken.

Birgit Schmalmack vom 16.10.08