Der Krieg und die Liebe


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Fremde Realität

Drei Wochen hatte der afghanische Fernseh- und Theater-Regisseur Mahmoud Shah Salimi Zeit, um mit den Schauspielern des Schauspielhauses und dem Dramaturgen Michael Ebert eine szenische Fassung des Romans "Der Krieg und die Liebe" von Atiq Rahimi für den Malersaal zu erschaffen. Dabei galt es die Brücke zwischen drei Sprachen zu schlagen: Der Aufführungssprache Deutsch, der Kommunikationssprache Englisch und der Textsprache. Und es galt eine Brücke zwischen verschiedenen kulturellen Traditionen zu finden.

Die stark gekürzte dramatische Fassung wird nun teilweise als Lesung an einem langen schwarzen Tisch und teilweise als gespielte Szenen in einem angedeutetem Wohnraum, der karg mit Bodenkissen und Küchenregal ausgestattet ist, dargestellt. Der Regisseur selbst gibt dazu die Gedanken der Hauptperson Farhad (Andreas Bisowski) auf englisch wieder. Das zeigt seine enge Verbindung zu dem Text. Dieser spielt zwar nach der kommunistischen Vereinnahmung 1978, aber für ihn die Gefühlslage nach der Machtübernahme der Taliban wiederspiegelt, wegen der er 1996 nach Pakistan fliehen musste. Denselben Weg nimmt auch der Hauptdarsteller Farhad, nachdem während er in der nächtlichen Ausgangssperre vom Militär aufgegriffen, schwer verprügelt, seines Passes entledigt und am Straßenrand liegen gelassen wird. Doch zuvor begegnet ihm in diesen unmenschlichen Zeiten noch etwas Unerwartetes: Eine Frau (Ursula Doll) zieht den Bewusstlosen von der Straße in ihr Haus und kümmert sich liebevoll um ihn. In dem 21-jährigen keimt in all der Hoffnungslosigkeit ein neues Gefühl: Er fängt an sich zu verlieben und sich eine gemeinsame Zukunft mit der verwitweten Mutter eines kleinen Jungen vorzustellen. Doch die Lage sorgt dafür, dass diese vielleicht mögliche Liebe ein Traum bleibt. Der von seiner Mutter bestellte Schlepper wickelt ihn in einen Teppich und bringt ihn über die Grenze, wo er sich erneut Soldaten gegenüber sieht.

Mit großer Ernsthaftigkeit und erzählerischer Schlichtheit widmet sich Salimi dem Stoff, der so viel mit seinem Schicksal zu tun hat. Der Blick in die fremde Realität zeigt, wie sehr die Gewalt, die Unterdrückung, die Erniedrigung das Leben der Menschen bestimmt und keinerlei Gestaltungsraum für das kleine private Glück übrig lässt.

Birgit Schmalmack vom 13.04.03