Unterdrückungen

Eine Frau (Desire Davids) in knappen T-Shirt und engen 7/8-Hosen tastet sich auf Zehenspitzen vorsichtig durch den Raum. Den Blick fest auf den Fußboden geheftet, sucht sie als einzige Frau zwischen den sieben Männern, die derweil lautstark das Geschehen in "Ja/Nee" zu bestimmen versuchen, ihren Weg. Sie hat es schwer in der von Testosteron strotzenden Umgebung einen Platz zu finden. Wenn die Männer ihre stampfenden Gesänge und das Herumwirbeln ihrer Waffen für eine Zigarettenpause einstellen und harmonische Bachmusik erklingt, zeigt die Frau kraft- und energievolle Tanzeinlagen, die ihre ganze weibliche Schönheit und Gestaltungskraft zur Geltung bringen. Eine johlende Zuschauergruppe auf der Bühne ist ihr gewiss. Denn ihren Tanz können die Männer natürlich nur in einer Hinsicht interpretieren: als Aufforderung zum Sex. Schon bedrängt sie einer mit eindeutigen Bewegungen. Sie fällt in sich zusammen, senkt den eben noch selbstbewussten Blick und setzt ihr zaghaftes Tasten fort.

Währenddessen läuft bezeichnender Weise ein Video über die Verbreitung von Aids auf dem südafrikanischen Kontinent. Dias werden auf den Boden projiziert, die nackte Männer zeigen, die ihre Genitalien mit Waffen bedecken. Besonders schmerzlich wirken die, auf denen sie dabei ein Baby auf ihrem Schoß halten.

Dem aus Soweto stammenden Boyzie Cekwana gelingt mit seiner Choreographie ein beeindruckendes Stück über eine Gesellschaft im Umbruch, die für ihre althergebrachten Männlichkeitsvorstellungen noch keine adäquaten Ausdrucksmöglichkeiten in der Gegenwart gefunden hat und sie nur in Aggression, Waffenversessenheit und Unterdrückung kanalisieren kann. Dass dabei die Erfahrungen der Unterdrückung durch die Weißen eine Rolle spielen, verraten die Gummistiefel, die bei der Minenarbeit getragen werden mussten und die Cekwana zur Unterstützung der Tanzrhythmen zum Einsatz kommen lässt.

Damit kontrastiert der erste Teil des Ensembles "The Floating Outfit Projekt": Ruhig und (be)-sinnlich konzentriert sich "Rona" auf sparsame Bewegungen und die gekalkten, nur mit Unterwäsche bekleideten Körper der drei Tänzer. Sorgsam begeben sie sich auf die Spuren ihrer Tradition und ihre vorsichtige Verknüpfung mit der Gegenwart. Wenn sie in seltenen Momenten zu kurzen Tanzszenen zusammenfinden, erreicht das Stück stimmungsvolle Höhepunkte.

Im Zusammenklang der beiden völlig gegensätzlichen Arbeiten erschließt sich erst die volle Spannung des Tanzabends. Hier wagt ein Künstler kritische Anmerkungen zu gesellschaftlichen Entwicklungen in seinem Land, die auch das deutsche Publikum tief berührten.

Birgit Schmalmack vom 17.01.05