Kleinbürgerhochzeit auf schwedisch

Wer sich schon mal über zusammenbrechende Ikea-Möbel geärgert hat, nachdem man sie in mühevoller Heimwerkerarbeit mit dem Akkuschrauber in die aufrechte Position gebracht hat, wird sich von Marcel Weinand in seiner Produktion "Brecht Ikea" verstanden fühlen.

Aus Texten der Kleinbürgerhochzeit von Brecht, Ikeawerbetexten und diversen Wohnratgebern hat er eine Textcollage zusammengestellt, die auf wundersame Weise kaum Brüche aufweist. Nahtlos haben sich aufbrechende Kleinbürgeridylle und zerberstendes Ikeamöbiliar verbunden.

Die Ausgangsbasis für jede Aufführung bildet eine strahlend-schöne, neu ausgestattete Wohnung, die aus dem Ikea-Katalog kopiert sein könnte. Das junge Ehepaar (Thomas Dold, Lis Schüler) empfängt stolz in ihrem selbstzusammengeschraubten, liebevoll nach allen Regeln der Wohnratgeber dekorierten Heim die lieben Verwandten und Freunde zu Besuch. Diese inspizieren die Wohnung, ihre Beziehungsmöglichkeiten untereinander und zerlegen beides auf das Gründlichste. Zum Schluss bietet sich dem erblassten Ehepaar ein erbarmungswürdiges Trümmerfeld.

Der Regisseur und Bühnenbildner Weinand hatte so viel Spaß an dem Ersinnen der technischen Tricks, die ein Möbel zunächst haltbar scheinen und es später auf Kommando zusammenbrechen lassen, dass er selbst nach dem Verlassen aller Akteure die letzten Dekorationsgegenstände wie von Geisterhand zerstören lässt. In seiner letzten Produktion "Ding-Dong" verteilte er seine ironischen Seitenhiebe mit feinem Fingerspitzengefühl; vielleicht wäre ein Weniger auch bei dieser Inszenierung mehr gewesen. Das anwesende Publikum amüsierte sich jedoch köstlich; ob sie dabei noch an die Demontage der Brechtschen Kleinbürgeridylle gedacht haben, bleibt mit einem kleinen Fragezeichen versehen.

Birgit Schmalmack vom 28.10.01