Demokratie


Zur Kritik von
mopo
Abendblatt

Zum Bericht von
mopo
Welt
Abendblatt

Die gläserne Demokratie

Willy Brandt wollte die gläserne Demokratie. Stasi- Chef Michael Wolf erfüllte ihm diesen Wunsch auf seine Art: Er setzte ihm den Spion Guillaume (Tilo Nest) in seine Regierungsmannschaft. Dieser unauffällige zu Fleisch und Blut gewordene "Kleiderständer" wird zu Willys Brandt persönlichen Begleiter. Zum ersten Mal seit Kriegsende ist die SPD in die Verantwortung berufen worden, um sich an ihren sozialen Idealen messen zu lassen. Zwischen dem Machtgerangel mit dem korrekten Helmut Schmidt (Ulrich Kuhlmann) und dem bissigen Herbert Wehner (Michael Hanemann) versucht Willy Brandt seinen intuitiven charismatischen Politikstil, der die Massen zu begeistern weiß, zu bewahren.

Autor Michael Frayn erzählt in kurzen Spielszenen, wie sich eine unfreiwillige Zusammenarbeit zwischen dem Frauenliebling und Weltpolitiker und dem Ostspion für die gute Sache entwickelt. Beide wollen auf ihre Weise Ostdeutschland wieder zu neuer Bedeutung verhelfen. Frayn lässt Brandt in seinem Stück "Demokratie" späte Lorbeeren einheimsen. Helmut Kohl spielt bei ihm für den Fall der Mauer 1989 keine Rolle sondern nur Brandts sensible Ostpolitik, die den Sinn für die richtigen Gesten zum rechten Moment bewiesen. Spannend wie ein Krimi wird das Spiel schnörkellos um die Männer in Schlips und Kragen inszeniert. Die berühmten Politikervorbilder werden von den Schauspielern mit eigenem Leben versehen. Besonders Peter Striebeck versteht es Willy Brandt als selbstkritischen sensiblen Mensch zu zeigen, der voller Selbstzweifel mit sich um den richtigen Weg rang. Ein spannender Theaterabend auf der Reeperbahn im St. Pauli-Theater.

Birgit Schmalmack vom 21.10.05