Perform performing:


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Eine gute Performance ist alles

Jeder feilt heutzutage an seiner Performance. Schließlich soll sein Auftritt auf dem Markt möglichst erfolgreich sein. Der H&M-Verkäufer, der Vertreter für Bauchtrainern ebenso wie der Künstler, der sein Kunstprodukt bei den Kultur-Konsumenten bzw. den Subventionsverteilern gewinnbringend präsentieren muss. Jedes Produkt hat letztendlich nur den Wert, den jemand anderes dafür in Euro-Scheinen zu bezahlen bereit ist. So unterscheidet sich die Arbeit des Verkäufers nicht grundsätzlich von der des Bühnendarstellers. In dieses Denken führt Jochen Roller in "Perform Performing" auf äußerst unterhaltsame Weise ein. Mit betont sachlichen Textbeiträgen, anschaulichen Beispielen und kurzen Tanzeinlagen zeigt er in dem ersten Beitrag seiner Performance unter dem Motto "no money, no love" in einer schwarz-weißen Kulisse zwischen kleinen Farbakzenten der schönen, bunten Konsumwelt, wie er die Finanzierung seiner Tanzprojekte abwickelt. An der Schautafel rechnet er logisch stringent vor, mit welchem Selbstausbeutungsfaktor er eine letzte Aufführung mit seinem H&M-Job finanzieren musste. Er kommt auf einen SBF von 0,5, da er für die Kosten seines Projektes doppelt solange Pullis in die Regale schichten musste, wie er anschließend auf der Bühne sein konnte. Er beweist schlüssig, weshalb ein Nebenjob in einem Call-Center für einen Künstler grundsätzlich besser geeignet ist als der in einem Supermarkt oder als Parkwächter. Mit einem Headset ausgestattet lässt er gleichzeitige künstlerische Aktivitäten zu, die zwischen den Regalen bzw. im Parkwächterhäuschen unangenehm auffallen würden.

Nach der Pause hat Roller die Sportsachen mit dem Designeranzug vertauscht. Statt der bunten Kleinigkeiten steht ein Ledersessel mit Bartisch auf der Bühne. Im zweiten, etwas weniger spritzigen Teil "Art Gigolo" führt er seinen Gedanken der Selbstvermarktung weiter - und zwar bis zum Äußersten. Mittlerweile erarbeitet er sich sein Geld für die Miete und seine Kunst bei einem Begleitservice oder als Barkeeper in der Szenekneipe. So ist für ihn der Schritt seinen Körper für die Kunst zu Markte zu tragen nicht mehr weit. In der letzten Szene entledigt er sich konsequenter Weise aller Kleidung und wackelt mit allem, was er zu bieten hat, provozierend hin und her. Zwar überzeugte Roller nicht unbedingt, wie er sich das augenzwinkernd für seinen kommenden Erfolg vorstellte, mit seinen "geilen tendues", aber dafür umso mehr mit seiner anregenden, einfallsreichen Collage zur Frage der Bezahlung und des Wertes von Kunst.

Birgit Schmalmack vom 13.5.03