Der Bus


Pilgerfahrt des Lebens

Die gläubige Erika (Fritzi Haberlandt) in ihrem Kapuzenpulli hat ein Ziel: Sie will in den polnischen Pilgerort Tschenstochau. Doch ihre Vorbereitungen für die Reise dorthin beschränkten sich auf den Fahrkartenkauf. Völlig übermüdet von ihrem Job steigt sie auf dem Busbahnhof in den falschen Bus ein. Der Busfahrer Hermann (Werner Wölbern) befördert eine Ansammlung kranker und kaputter Mitglieder der Gesellschaft in einen Kurort in den Bergen. Die Mitfahrer begegnen der Andersartigkeit von Erika zugleich mit Neugier und gewalttätiger Abwehr. Stellt ihre Unbeirrbarkeit doch eine unglaubliche Provokation in ihrer Gemeinschaft der Ziellosen dar. Durch Morddrohungen stellen sie ihren Glauben auf eine harte Probe. Doch Erika betet weiter. Wird ihr Gott helfen? Als schon ihr Grab von dem aktionistischen Hermann geschaufelt wird, wird sie endlich selbst aktiv und flieht zu dem Tankwart Anton (Peter Jordan), der vor den Versuchungen der Stadt in die Wildnis geflohen ist. Da seine Küche nichts Anderes als Käse und Schnaps zu bietet hat, greift Erika dem Hunger gehorchend zu. Unter stetig steigendem Alkoholpegel kommen die Beiden sich näher. Denn auch der einsame Anton hat Visionen. Er erzählt von drohender Erderwärmung, von seinen Ambitionen der Rapsdieselvermarktung und seinen Aktionen gegen die Jäger der Gegend. Schon schmiedet Anton gemeinsame Heirats- und Renovierungspläne, da verschwindet Erika. Tschenstochau wartet noch auf sie. Und dort die Erkenntnis, dass auch religiöse Symbole nicht so rein und edel sind, wie sie scheinen. Den weißen Berg am polnischen Wallfahrtsort umwehen zigtausende von weißen Plastiktüten- vielleicht Hinterlassenschaften von wenig umweltbewussten Pilgermassen? Um etliche Illusionen ärmer und einige Erkenntnisse reicher ist Erika am Ziel ihrer Pilgerreise angekommen. Ob sie jetzt in die Wildnis auf Antons Berg zurückkehren mag?

Regisseur Stephan Kimmig hat den Mut zu unbequemen, ungemütlichen Stimmungen und Interpretationen, die mehr Rätsel als Antworten enthalten. Damit bleibt er dem Text von Lukas Bärfuss treu, der ganz unzeitgemäß die Frage nach Werten, nach Glauben, nach Gott stellt und sie mit einer Orientierungslosigkeit kontrastiert, die unmenschlich, maßlos und zerstörend ist.

Die eindrucksvolle Bühne von Katja Haß zeigt kahle Berge aus hölzernen Zeltdächern. Von grünen Waldeshöhen ist hier nichts zu sehen. Allein zwei bohrturmähnliche Klettergerüste ragen in den Bühnenhimmel auf. Sollen sie die mögliche Verbindung zu Gott symbolisieren, die aber keiner nutzt und erklimmt?

Das Premierenpublikum zeigte sich von der nicht leichten, nachdenklich stimmenden Kost, der klugen Inszenierung und der herausragenden Darstellerleistungen sehr angetan.

Birgit Schmalmack vom 2.2.05

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