Liebesbriefe an Adolf Hitler


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Kann denn Liebe Sünde sein?

Das ist die Frage des Abend "Liebesbriefe an Adolf Hitler" im Hamburger Sprechwerk, die ihm ersten Lied vorangestellt wird. Ist sie verwerflich, wenn der Adressat dieser Gefühle ein Mann namens Adolf Hitler ist, der für die Ermordung von 6 Millionen Menschen verantwortlich ist? Viele deutsche Frauen wünschten sich zu seinen glanzvollen Zeiten an seine Seite. In zahlreichen Liebesbriefen, die nach Kriegsende im Führerbunker von dem amerikanischen Soldaten W.C. Emker gefunden wurden, an ihr "Wölflein", "Adolfchen", "ihre Majestät" oder "ihren Gebieter" drücken sie ihre tiefen Gefühle aus und unterbreiten ihm ihre vielfältigen Angebote.

Die drei Darstellerinnen Kai-Maren Taafel, Katharina Mittermeier und Maike Wehmeier in einfachen Kleidern und abgetragenen Schuhen, die der Kriegszeit angemessen sind, loten die ganze Bandbreite der Charaktere der Briefeschreiberinnen gekonnt aus. Eine würdevolle und fordernde Maria schickt an den süßen Adolf einen aus reiner Liebe gebackenen Kuchen. Eine brave, deutsch-patriotische Friedel S. sorgt sich um seine fehlende Nachkommenschaft und stellt sich selbstlos für die Aufzucht eines gemeinsames Kindes zur Verfügung. Eine demütige, unterwürfige A. fühlt sich von Gott auserkoren, die Frau des Führers zu werden. Und eine kesse, vorwitzige M. schickt ihm ihren Zimmerschlüssel per Post zum jederzeitigen Gebrauch.

Dieser Abend kommt schlicht daher: Die drei Stühle und ein Klavier wirken unspektakulär. Dagegen sind die Erkenntnisse umso erstaunlicher: Im Laufe dieser äußerst interessanten Aufführung gewinnt man intensive Einblicke in die deutsche (weibliche) Volksseele. Die präsentierten Zeitdokumente sagen mehr über das Klima in Deutschland während des zweiten Weltkrieges aus als manche theoretische Abhandlung.

Kommentiert und in die damalige Zeit gestellt werden diese privaten Liebesbekundungen klugerweise nur durch Schlager aus den 30 und 40er Jahre. "Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami", muss der Zuschauer mit den Sängerinnen verwundert feststellen. Und zum Schluss gemeinsam mit ihnen hoffen: "Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder!"

Birgit Schmalmack vom 9.10.04