Dies ist kein Liebeslied


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Liebe ist auch nur eine Krankheit

Nicht geliebt zu werden ist leichter mit dünnen Stöckelbeinen, findet Anne. Doch Anne ist unglücklich verliebt und dick. Das ist entschieden zu viel.

Nach dem Roman von Karen Duve "Dies ist kein Liebeslied" spürt Jorinde Dröse den Gefühlen von jungen Frauen im Alter von 10 bis 30 nach. Drei Schauspielerinnen (Leila Abdullah, Judith Rosmair, Katrin Wichmann) stellen Anne in drei verschiedenen Altersstufen dar. Was nicht bedeutet, dass sie nicht auch in andere Rollen schlüpfen oder zusammen die besten Freundinnen in einer typischen Mädchen-Klön-Gigger-Runde sein können.

Bereit zum Abheben in den siebenten Himmel der Liebe sind sie jederzeit. Deswegen findet ihre Spurensuche auch in einer Scheibe eines Jumbojets statt. Wenn nur der geeignete Mann kommen würde und man sich nicht vor Frust mit zu vielen Süßigkeiten ins Bett zurückziehen müsste, weil das Telefon partout nicht klingeln will. Auf das Verliebtsein könnte man ja zur Not verzichten, aber nicht auf einen Freund zum Vorzeigen, um endlich dazu zu gehören. Doch wenn die Jungen im Sportunterricht grausam auf die merkwürdige Beschaffenheit des weiblichen Bindegewebes hinweisen, ist es Zeit für einen der umwälzenden Entscheidungsprozesse im Leben eines Mädchen: Der Entschluss zur ersten Diät wird gefällt.

Wer als Mädchen mit Matchbox-Autos, Kassettenrekordern und grauem Einheitstelefon mit Wählscheibe groß geworden ist, erlebt einen Abend mit hohem Wiedererkennungswert. Überaus witzig, treffend peppig und temporeich hat Dröse ihr kleines Kabinettstückchen mit leichter Hand inszeniert. Die drei Schauspielerinnen haben sichtlichen Spaß an diesen Reminiszenzen. Ohne die zahlreichen Probleme dieser harten Zeitspanne der Entwicklungen zu verleugnen, finden sie zu einem zögerlichen, verschämten "Dennoch!". Ein großer kleiner Abend ist Jorinde Dröse hier gelungen.

Birgit Schmalmack vom 12.10.04