Lügenüben


Lügen ist gesund

Das Lügen diene der Psycho-Hygiene, es sei also gesund, verrät der agile, schmissige Moderator (hervorragend besetzt: Klemens Heinen) zu Beginn von "Lügenüben" dem Publikum im Lichthof. Die junge Frau setzt diesen Ratschlag gerne um: "Ich sage mir jeden Tag, dies ist ein schöner Tag," redet sie sich gut zu. Das ist wohl eher Wunsch als Realität, denn sie verkehrt in den schönen Häusern der Anderen nur als deren Putzfrau. Ihre Haltung macht das klar: Sie sitzt eingezwängt in einer Rückwand der drei sonnig-blumigen Fassaden. Diese drei verschiebbaren Elemente können dem Geschehen auf der Bühne in Bahrenfeld im Nu eine schöne Vorderseite verpassen und den schnöden Alltag verstecken.

In dieser Showtechnik sind alle der vorgeführten elf Lügner Meister. Denn der Zweck ihrer Lügen ist die Schönfärberei ihres eigenen Lebens, in erster Linie vor sich und in zweiter vor den anderen in ihrer Umgebung.

Zu den geübten Lügnern gehören die zwei Mütter, die so gerne stolz auf ihre halb erwachsenen Kinder wären. Doch das Muttersöhnchen muss sich eigens für die Frauen auf der Schanze, bei denen er Eindruck schinden möchte, eine Identität als Klangkünstler erfinden. Und die trendige Tochter findet den Wunsch ihrer Mutter, sie sollte eine ebensolche Ballettkarriere anstreben wie sie selbst, völlig uncool. Franziska gibt es gleich doppelt: die junge Franziska, die der alten Franziska vorwirft, dass sie aus ihrem Leben bloß eine kleinkarierte, biedere und langweilige Angelegenheit gemacht hat. Doch die alte gibt sich nicht geschlagen und schwärmt von den romantischen Urlauben mit Helmut in Scharbeutz.

Hier wird das Leben getreu der Ratschläge von Bestsellern wie "Sorge dich nicht, lebe!" etwas heiterer gemacht, als es in Wirklichkeit ist. Jeder möchte aus seinem Leben eine bewundernswerte Leistung machen und hilft in seiner Präsentation gerne etwas nach.

Sönke Herm und Julia Jakubowsky haben aus diesen Lügengebäuden eine vergnügliche Theaterstunde zusammengestellt, die auf amüsante Weise zum Nachdenken anregt: Ist das kuschelige Deckchen der Lebenslügen doch nicht so unmoralisch und so schädlich, wie wir immer dachten?

Birgit Schmalmack vom 16.9.05