Kunst trifft auf Politik

"Plastelina" (engl. für Knete) steht mit dicken Kreidebuchstaben auf der hinteren Tafelwand in der K6 auf Kampnagel. Wie Knetgummi-Menschen bewegen sich die Tänzer der Betsheva Dance Company aus Israel. Die Tänzer loten die menschlichen Grenzen der Bewegungsabläufe zu arabischen Rhythmen und klassischen Streicherklängen unter ihrem Leiter Ohad Naharin neu aus. Sie erschaffen ein vereinnahmendes Ganzes, eine Komposition aus Text, Musik und Tanz, die bezwingend ist und die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Naharin ist ein Tanzkünstler, der ganz auf Emotionen setzt und sich auf die Wirkung der Ästhetik einlässt.

Er hat sich Peter Handkes "Publikumsbeschimpfungen als Textgrundlage genommen. Sie wird von einem der Tänzer auf deutsch rezitiert. Naharin kontrastiert mit versöhnlicher Geste die Schimpfwörtertiraden Handkes mit immer gleichförmigen Kreistänzen. Harmonisch bewegen die Tänzer wie aufgezogene Tanzpuppen die Armen auf und ab und drehen sich dabei im Kreis.

In dem anschließenden Publikumsgespräch an die Vorstellung am Freitag wurde er immer wieder vom deutschen Publikum zu den Eckpunkten seiner Inszenierung gefragt: "And, what is the idea behind...?" Und er antwortete schmunzelnd auf die scheinbar deutsche Standardfrage mit einem "It felt right like that." Politisch sei sein Tanztheater eher durch zufällige Weiterentwicklung geworden. Plastelina klinge vielleicht so wie Palästina, das sei aber nicht beabsichtigt gewesen. Statt der arabischen Klänge seien eigentlich Klezmermusik vorgesehen gewesen. Die hätte ihn aber beim Proben gelangweilt. Und das die Zuschauer als Nazischweine und Mitläufer tituliert wurden, sei eben Handkes Text zu verdanken. Politische Brisanz als Zufallsprodukt. Fast mag man dem smarten Künstler seine Nonchalance glauben, so spannend und berauschend ist sein künstlerisches Gesamtergebnis.

Birgit Schmalmack vom 17.3.05

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