Rosi, das hast Du gut gemacht


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Ohne Netz und doppelten Boden

Im Alter wird man mutiger. Das beweisen die 26 Senioren in "Rosi, das hast du gut gemacht. Vom Alter", das am Sonntag im Schauspielhaus Premiere hatte.

Die 81-jährige Luise findet, dass das Alter die erkenntnisreichste Phase ihres Lebens sei. "Man lebt vorwärts, aber man versteht nur rückwärts." Sie ist es auch, die unwunden zugeben kann, dass sie in ihrer Jugendzeit von allem wusste, was die Deutschen danach gerne ableugneten. "Ich wusste von den Verschleppungen, ich wusste von den Erschießungen und ich wusste von den KZs." Bei der Premiere am Sonntag, in der im Schauspielhaus das Durchschnittsalter nicht nur auf der Bühne höher war als gewöhnlich, gab es an dieser Stelle einen spontanen, entrüsteten Zwischenruf: "Nein!"

Jaqueline Kornmüller hat mit 26 Senioren und Laiendarstellern ihren wichtigsten Lebenserinnerungen nachgespürt. Sie wollte authentische Menschen, die einen existenziellen Punkt in ihrem Leben deutlich werden lassen. Sie hat sie gefunden und auf der großen Bühne des Schauspielhauses offen über ihre Gefühle "Vom Alter" sprechen lassen.

Heinz berichtet von seinem eintönigen Tagesablauf als Single. Die ehemalige Balletttänzerin schildert einen Selbstmordversuch. Ein anderer Mann erzählt voll aufgewühlter Bitterkeit von seiner "liebevollen" Erziehung, die sich durch keinerlei Anerkennung und dafür umso mehr Prügel auszeichnete. Die gepflegte Kosmetikerin zieht sich die blonde Perücke vom Kopf und offenbart ihre noch spärlichen eigenen Haare. Sie, der stets Schönheit sehr wichtig war, hat gerade eine Brustkrebserkrankung überstanden.

Kornmüller stellt ihnen dazu eine riesige, zunächst ganz geschlossene, leere, weiße Halle zur Verfügung, in der nur samtgepolsterte Stangen an den Wänden Halt geben könnten. Rückzugsmöglichkeiten gibt es auf dieser Bühne nicht. Nur die Größe und die Gemeinschaft der Gruppe gibt Beistand. Kornmüller verlässt sich ganz auf die berührende Wirkung der authentischen Lebensberichte dieser ausdruckstarken Persönlichkeiten und hält sich als Regisseurin dezent zurück.

Das Premierenpublikum feierte die Leistung der mutigen Darsteller mit einem nicht enden wollenden, warmherzigen und anerkennenden Applaus.

Birgit Schmalmack vom 19.6.06