Die Aufschreiberin


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Untergründige Beziehungsstudie

Wie die beiden während ihres Einstimmungsliedes auf dem Rand der Bühne sitzen, verrät schon viel über ihre Beziehung: Der Mann hält die E-Gitarre so in der Hand, dass deren Hals vor dem Gesicht der Frau landet. Sie hat die Aufgabe ihm die Zigarre zum Singen aus dem Mund zu nehmen und zur rechten Zeit wieder hineinzustecken. Das lässt sie zu einem Gespann werden, das aufeinander angewiesen ist und sich gleichzeitig behindert. Denn beide, der Autor Victor und die Schauspielerin Eva, wollen zusammen ein Stück auf die Bühne bringen, in dem der berühmte Dichter Berthold Brecht demontiert werden soll. Jedenfalls ist das Victors Wille. Eva verfolgt dabei ganz eigene Zwecke, die die vermeintliche Überlegenheit und Macht des Regisseur immer weiter schrumpfen lassen. Meint Victor zunächst noch Eva in ihrem Dessousoutfit mit abgelaufenen Stöckelschuhen, weißblonder Perücke und Handtäschchen zum Weibchen degradieren zu können, so bestimmt sie mehr und mehr das Geschehen. Er muss erkennen, dass ihm sein Machogehabe in seiner absurden Brechtverkleidung mit Zottelmähne, dicker Kassenbrille, fleckiger offener Hose und Dreitagebart nicht so gut steht wie einst dem berühmten Dichter. Ihn macht es eher zu einer Witzfigur, der Eva klipp und klar erklären kann: "Mit dir schlafen, nie!" Denn Eva hat die Rolle der Ruth Berlau nur angenommen, um ihre eigene Geschichte besser verarbeiten zu können. Diese zeitgeweise Gefährten von Brecht, die von ihn in Brand gesetzt und für seine Zwecke auf kleiner Flamme warmgehalten wird, hatte nur eine Schwäche: Sie liebte ihn. Hier könnte die Kartasis für Evas Liebesleiden mit ihrem Ehemann Daniel liegen.

Detailgenau lässt Regisseur Ali Abdullah die psychologischen Feinheiten herausarbeiten. Mit kleinen Gesten kann er Stimmungen deutlich werden lassen. Evas müdes Rasseln mit den Kronkorken in ihrer Handtasche zum nächsten Brechtsong im Programm verrät einiges über den Grad ihrer Begeisterung. Dass diese kleinen Momente so gut gelingen, liegt nicht zuletzt an den beiden wunderbaren Darstellern Anita Gamser und Horst Heiß. Ein ebenso gelungener Kunstgriff ist die Bühnengestaltung: Eine auf Stelzen gestellte, leicht geneigte Plattform ist auf die vorhandene Bühne gestellt worden und ermöglicht so den Blick auf den Hinter- und Untergrund des vorne Gezeigten. Ali Abdullah hat mit seiner Theaterformation comPLEXtheater im Hamburger Sprechwerk eine sehr künstlerisch innovative Arbeit vorgelegt, die es verdient von vielen Hamburger Theaterinteressierten gesehen zu werden.

Birgit Schmalmack vom 4.4.05

Nächste Vorstellungen: 6.-9. April um 20 Uhr im Hamburger Sprechwerk