Im Mittelfeld ganz gut geschlagen

Deborah Colker verdreht die Fußballwelt um 90 Grad. In "Marcana" steht die Mittelfeldlinie senkrecht zum Fußboden. Schwebend vor der Wand machen die Tänzer ihr Spiel. In Seile eingeklinkt verwirren sie die Sinne von oben und unten. Bei der brasilianischen Choreographin muss man stets auf solche visuellen und akrobatischen Zaubertricks vorbereitet sein.

Mit der jungen Truppe aus 10 brasilianischen und 6 deutschen Tänzern, die extra für die FIFA-Kulturveranstaltung gecastet wurde, hielt sie sich für ihre Verhältnisse in Sachen Akrobatik dezent zurück. Stattdessen setzte sie auf die Schönheit der durchtrainierten Körper, auf ihre jugendliche Lebensfreude und auf ihre tänzerische Perfektion. Sie schuf einen Mix aus kurzweiligen, eingängigen Tanzsequenzen, die nett anzusehen waren und nebenbei typische Spielsituationen illustrierten. Den Fallrückzieher hat man selten so erotisch gesehen wie bei Colkers Fifa-Truppe. Natürlich hatte sie bei ihrer gemischten Auswahl gegenüber den herkömmlichen Fußballteams den riesigen Vorteil, dass sie die Geschlechter mischen durfte.

Bälle waren bei Colker eher Spielmaterial als ein Mittel um Punkte zu machen. So wurden sie in der Kniekehle eingeklemmt, während man weitertanzte. Sie wurden zum Abrollen der Körper benutzt oder schmiegte sich mit ihnen am anderen an. Colker hat viele einzelne Ideen und verzichtet dabei auf die durchgehende Linie. Sie spielt sowohl mit den Bällen wie auch mit den jungen Tänzern. Wer allerdings noch die beeindruckenden Bilder aus "Rota" oder "Casa" vor dem inneren Auge hatte, blieb etwas enttäuscht über die fehldende, bezwingende Idee zurück. Colker arbeitet auf unerreicht hohem künstlerischen Niveau, wenn sie ihr Thema selbst kreieren darf. Auftragsarbeiten scheinen ihrer Kreativität dagegen zu enge Fesseln anzulegen.

Bei der Premiere auf Kampnagel, die gleichzeitig die Auftaktveranstaltung des Kulturprogramms zur diesjährigen Fußballweltmeisterschaft war, sprang der Funke über. Immer wieder holten die Zuschauer durch ihren nicht enden wollenden Applaus die Akteure und das Regieteam vor den Vorhang - vielleicht auch um das Vergnügen auszudehnen, ihnen bei ihrer überschäumenden Freude über ihren Erfolg zu sehen zu dürfen.

Birgit Schmalmack vom 26.1.06