Die Zofen


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Aneinandergekettet

Die beiden Schwestern Solange (Judith Hofmann) und Claire (Natali Seelig) sitzen in verwaschenem Rock und Bluse mit ihren langen Zöpfen wie kleine, verschämte Mädchen auf dem Fußboden nebeneinander und umarmen sich. Doch statt ihrer Liebe versichern sie sich ihres gegenseitigen Hasses: "Ich hasse dich". "Ich dich auch," lautet ihr Gespräch zu dieser Szene.

Aneinander gekettet sind die beiden noch jungen Frauen in ihrer Stellung als Zofen bei der gnädigen Frau (Victoria Trauttmansdorff). In dieser Unterordnung sind sie sich gegenseitig ein deprimierendes Spiegelbild ihrer demütigenden Abhängigkeit als Fußabtreter. Da sie ihre Wut nicht an der Chefin auslassen dürfen, richten sie sie gegen ihr Gegenüber: die Schwester. Nur in Rollenspielen können sie sich wechselseitig herumkommandieren und ihrer Fantasie nachgehen, die Chefin zu ermorden.

Ohne einander dürfen sie und können sie nicht sein, aber mit einander kommen sie auch nicht aus. Zu ähnlich sind sie in ihrer Abhängigkeit. Ihre Unterwürfigkeit führen sich stets schmerzhaft vor Augen. In einem Rondell aus Rosenblütenblättern liefern sie sich zunächst ihren schwesterlichen Kampf aus Liebe und Hass. Später sind sie eingepfercht durch einen halbkreisförmigen Reifen aus Abendkleidern, die unter den Blütenblättern zum Vorschein kommen. Das Bühnenbild von Robert Schweer zeigt eindrucksvoll, mit welcher Symbolkraft die Kleidung aufgeladen werden kann. Die Schwestern erträumen sich in die Kleider der Herrin, bekommen sie sie aber gnädig von ihr abgetreten, verlieren sie für sie ihren Wert.

Regisseur Stephan Rottkamp zeigt mit seiner zweiten Inszenierung nach "Die Krankheit der Jugend" im Thalia in der Gaußstraße eine saubere, psychologisch detailgenaue Umsetzung des Textes von Jean Genet. Im Gegensatz des Originals endet sie nicht mit dem Tod einer der Schwestern sondern noch logischer mit dem weiteren Verbleiben in ihrer gemeinsamen Abhängigkeit.

Birgit Schmalmack vom 17.01.05