Bis zum Äußersten

Christa Schmidt -ihr Name steht für "kurz, knapp, prägnant und deutsch" - will zusammen mit dem jungen Praktikanten Max ihr Projekt WTC durchziehen. Dass der 11. September die Lage verändert hat, soll sie dabei nicht stören. Man muss sich eben Ziele setzen und ihre Erreichung unter allen Umständen verfolgen. Genau wie ihr Idol, der Bergsteiger Reinhold Messmer, sieht sie ihre Ziele als ständiges Auf und Ab mit vielen überlebenswichtigen Entscheidungen. Kletterseminare am Wochenende empfiehlt sie ihrem Zögling demzufolge als das beste Karrieretraining.

Wenn die Twin-Towers zur Besichtung und zum Genießen des Ausblicks über New York nun nicht mehr zur Verfügung stehen, kann das Christa Schmidt von der Erklimmung der Aussichtsplattform nicht abhalten. Sie, die zwanzig Jahre ältere Sekretärin, steckt voller Power, während der vierundzwanzigjährige Max sich eher abwartend und überlegend gibt. Doch er sitzt nun zusammen mit Christa auf einem Campingplatz in New York fest. Alle Flugverbindungen sind unterbrochen, die Sanitäranlagen überschwemmt, der Platz verlassen und die Nahrungsmittel knapp. Sightseeingausflüge zum World Trade Center erscheinen unter diesen Umständen als makaber. Die gemeinsame Wartezeit vertreiben sich die beiden deutschen Abgesandten einer kleiner Start-Up-Firma mit Spielchen als Chefin und Untergebener, als Mutter und Sohn und als potentielle Sexpartner.

David Lindemann hat einen befremdlichen Text über den Terrorakt in New York geschrieben, obwohl derselbe mit keinem direkten Wort erwähnt wird. In der Inszenierung von Wilfried Minks am Bochumer Theater, das zu einem Gastspiel ins Theater Haus im Park nach Hamburg gekommen ist, ist manches ins Gegenteil verkehrt: Der Regen und Sturm findet innerhalb des Zeltes statt draußen davor statt, die Flugzeuge kreisen über dem Campingplatz und die beiden Deutschen werden vom CIA verdächtigt, an den Terrorakten beteiligt gewesen zu sein und letztendlich mit gezielten Schüssen unschädlich gemacht.

Katharina Thalbach und Fabian Krüger sind die ausdruckstarken Hauptdarsteller. Sie verstehen den beiden Figuren eine unverwechselbare Persönlichkeit zu verleihen. Virtuos spielt Thalbach mit all den verschiedenen Anteilen ihrer Rolle der reifen Frau während Krüger den unerfahrenen, zurückhaltenden, schlaksigen Jüngling überzeugend und sympathisch gibt. Leider rutscht die skurrile Szenerie zeitweise vom Absurden ins allzu Komische ab. Mit der Übertretung der Schamgrenzen wird ausgiebig gespielt. So darf sich das Publikum den beunruhigenden Abend oft durch den Ausweg ins Lachen erleichtern.

Birgit Schmalmack vom 7.2.05