Zehn Gebote


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Materialfülle

Das Bühnenbild gleicht einem Lager für Second Hand Möbel. Auch die Menschen, die auf ihnen Platz genommen haben, sehen etwas abgenutzt aus. Ihre Lebenserfahrung hat sie gezeichnet. Sie leben alle zusammen in einem polnischen Hochhauskomplex. Was Kieslowsky für zehn Filme ausreichte, benutzt Simons als Stoff für einen (langen) Theaterabend. Ein Strom an höchst spannenden Geschichten ergießt sich über die Zuschauer. Ein Höchstmaß an Konzentration war gefordert, denn Simons verzichtet weitgehend auf Bilder.

In guter, alten Erzähltradition fungiert einer der Schauspieler stets als Erzähler, die anderen übernehmen die jeweiligen Rollen, die in der Geschichte vorkommen. Die Möbelstücke dienen ihnen als Fundus, um die Situationen nachzustellen.

Gleich die erste Geschichte wühlt auf: Ein Vater, Mathematiker und Informatiker, erlaubt seinem Sohn an einem klirrenden Frosttag aufs Eis zu gehen. Er hat alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Er hat Berechnungen angestellt und das Eis selbst überprüft. Am Abend erfährt er das Unwahrscheinliche, das seinen Wissenschaftsglaube erschüttert: Das Eis ist gebrochen und sein Sohn ertrunken.

Bevor lange über die Verknüpfung der ersten Geschichte mit dem ersten Gebot nachgedacht werden kann, folgt sogleich die zweite Erzählung: Dorotas Mann ist todkrank. Wird er wieder gesund? Die Antwort des behandelnden Arztes wird über ein weiteres Lebens entscheiden: über das von Doratas werdendem Kind. Da es von einem anderen Mann ist, will sie es nur behalten, wenn ihr Mann stirbt.

Zu jedem der zehn Gebote hat Simons ein solches Fallbeispiel zu erzählen, das die Fragen nach den Werten, die das Handeln der Menschen bestimmen, stellt. Einfache Antworten lassen diese Geschichten nicht zu. Das macht sie so einerseits so ertragreich und andererseits in der Zusammenballung an einem einzigen Abend auch anstrengend. Doch die Mühe lohnt sich: Am Ende ist man um viele Anregungen zum Nachdenken reicher.

Birgit Schmalmack vom 8.6.06