Zur "Langen Nacht der Autoren 2005"

Lange, kurzweilige Theaternacht

Die lange Nacht der Autoren im Thalia Theater war in diesem Jahr ein voller Erfolg. Fast bis auf den letzten Platz war das große Haus gefüllt. Lang kam diese Nacht sicher niemandem vor. Kurzweilige, professionell ausgearbeitete Inszenierungen wurden gezeigt, denen man weitere Aufführungstermine wünscht.

Die Glanznummer des Abends war aber zweifellos das dritte Stück der vier gezeigten. Andreas Kriegenburg führte Regie in "Protection" von Anja Hilling. Diese junge Autorin verstand es drei gescheiterte Beziehungsgeschichten innerhalb einer guten Stunde Aufführungsdauer mit gekonnten Dialogen zu skizzieren. Ein Zelt aus Plastikfolie war von Bettina Schürmann auf die Drehbühne gestellt worden. Es wurde von riesigen Luftballons in der Höhe gehalten. Bei jeder Drehung gab es den Blick frei auf die Akteure, die ihrer eiskalten Welt agierten. Durch die einfallsreiche Regie, das grandiose Bühnenbild und die souveränen Schauspieler in allen Rollen hinterließ dieses Stück den nachhaltigen Eindruck eines runden Werkes. Von dieser Autorin würde man gerne mehr hören und sehen.

Doch auch die drei anderen Stücke zeigten Witz und eigenen Stil.

"In einer mondhellen Winternacht" nimmt Lothar Kittstein mit kargen Wortmaterial die lapidaren Unterhaltungsmuster von Menschen aufs Korn. Unter der Regie von David Bösch und mit den wunderbar besetzten Rollen durch Katrin Wichmann und Daniel Hoevels wird daraus einen Riesenspaß. Ein Mann und eine Frau befinden sich in einer Zeitschleife. Alle zwei Minuten wiederholen die Sätze und Versatzstücke. Er fühlt sich eingesperrt in der nicht vergehenden Zeit. Sie erkennt messerscharf, dass bei einem Neuanfang im Zweiminutentakt wohl kaum ein vernünftiges Gespräch möglich wäre. Doch man bekommt den Verdacht, dass es bei den Beiden, die sich hier gegenseitig auf einer öden Party abgeschleppt haben, kaum einen Unterschied machen würde. Auch so erhalten ihre Dialoge nur Versatzstücke einer Kommunikation.

"Explodierende Pottwale" von Lukas Holliger bedient sich vieler Klischees. Zwei Ehepaare, wollen in eine vermeintliche Idylle aufs Land fliehen und rufen als erstes nach Ameisenspray und dem Strom für den elektrischen Grill. Das eine wünscht sich dringend ein Kind und das andere kann gleich mit fünfen aufwarten. Holliger hatte sich viel vorgenommen: Er möchte Menschen zeigen, die wie die Meeressäuger Unheilvolles ausgären, weil sie sich in ihrem Leben langsam verwesen. Die exzellenten Schauspieler machen auch diese Inszenierung zu einem großen Vergnügen. Norman Hacker bei seiner Interpretation des Ehemannes zu beobachten, lohnt schon das Zuschauen.

Das letzte Stück des Abends "Schwimmen wie Hunde" von Reto Finger wurde in einer Art szenischen Lesung geboten. Nebeneinander auf Stühlen sitzend wird die Demontage einer Ehe von Maren Eggert und Peter Kurth (unter anderen) genüsslich vorgenommen. Auch in dieser Form zeigte es schon starke Qualitäten in den Konstellationen, in seinem Dialogwitz und seiner Personenzeichnung. Neben den anderen aufführungsreifen Darbietungen musste es allerdings etwas blass bleiben. Und das lag mit Sicherheit nicht an den bravourös agierenden Thalia- und Schauspielhausdarstellern.

Diese Nacht zeigte einmal wieder die Besonderheit von Theatertexten: Erst durch die Regisseure und das Ensemble werden daraus Theaterabende, die beeindrucken.

Birgit Schmalmack vom 21.6.06