Protection


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Von den Eskimos lernen

Ein riesiges Plastikzelt kreist auf der Drehbühne. Weiße Luftballons halten es gekonnt in der Schwebe. Der Schnee auf dem Fußboden demonstriert: Es ist kalt. Eskimo tapsen herein. Eng stehen sie beieinander und vertreiben sich die Zeit mit Lochangeln und Geschichtenerzählen. Ob sie sich über die merkwürdigen Menschen in den europäischen Großstädten unterhalten, die selbst bei sommerlichen Temperaturen nicht in der Lage sind sich ein wenig Wärme zu geben?

Von drei solchen verhinderten Liebespaaren erzählt "Protection" von Anja Hilling. In beeindruckend klarer, mitreißender Sprache lässt sie die einsamen Großstadtmenschen in inneren Monologen in der Rückschau von ihren Fehlschlägen berichten. Die wenigen Dialoge, die sie mit dem anvisierten Partner einstreuen, sind statt mit poetischer Beschreibung mit harten Slangausdrücken durchsetzt. Nur mit sich selbst erlauben sie sich eine Zartheit und Poesie.

Andreas Kriegenburg war der Regisseur. Er gab den traurigen, hoffnungslosen Geschichten, die von der grenzenlosen Unfähigkeit zur Kommunikation und damit auch zur Liebe erzählen durch den Auftritt der Eskimos einen versöhnlichen Rahmen. Von ihnen könnten sie sich die einfachsten Techniken im gegenseitigen Wärmen abgucken.

Schwer zu sagen, welche der drei Geschichten am stärksten beeindruckt. Die von den missglückten Anfang zwischen einem Alkoholiker und einer bassspielenden Straßenmusikantin, die beide auf der Straße leben? Oder die vom Anbändeln zweier Schwuler, bei dem der eine aus Angst vor Zurückweisung fortläuft, bevor der andere entdecken könnte, dass er eine Beinprothese trägt? Oder die letzte, in der eine türkische Frau den Mann, der sich frisch in sie verliebt hat, zwingt ihre erlittene Vergewaltigung an ihr zu wiederholen? Alle sprechen gleichermaßen von der unsagbaren Einsamkeit der nach Liebe verzweifelt Suchenden. Anja Hilling versteht es wunderbar, in einer kraftvollen, bilderreichen Sprache, die trotzdem klar und knapp bliebt und keine überflüssigen Worte macht, den tragischen Kernkonflikt heraus zu arbeiten. Die hervorragenden Schauspieler bringen die poetische Sprache in ihrer ganzen Traurigkeit brillant zur Geltung.

Birgit Schmalmack vom 12.11.05