Wenn eine Dolores heißt,..


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Verunsicherung

Gerade weil die Welt und das Leben auf ihr unbeschreiblich sei, würden Geschichten erzählt. Um das Unbeschreibliche in Worten zu fassen, fühlten sich Menschen zum Schreiben gedrängt. Genau so ein Schreiber aus Leidenschaft und Berufung ist Peter Bichsel, der in seinen Essays dieser und ähnlichen Feinheiten des Lebens auf intelligente, unterhaltsame und verblüffende Art nachspürte. Ruedi Häusermann hat ihm eine Hommage in seinem Stück "Wenn eine Dolores heißt, muss sie noch lange nicht schön sein" gewidmet, das die Autorentheatertage im Thalia Theater eröffnete.

Er spürt den Geschichten Bichsels auf seine unverwechselbare Art nach: Aus Wörtern, Buchstaben, Geräuschen, Tönen und vier Streicherstimmen komponierte er um Bichsels Essays herum eine Symphonie. Während die Texte unverändert von den vier Schauspielern vorgetragen werden, spielen die musikalischen Beiträge mit den Versatzstücken aus den Texten und verunsichern immer wieder die als selbstverständlich angenommene Weltsicht. Da beginnt ein Tisch zu wandern, da tanzt auf einmal der Blumentopf, da huschen die Schatten der Darsteller riesengroß über die Bühnenrückwand und scheinen sich zu verfolgen.

Doch während Bichels Texte durch ausgefeilte Sprachkunst und Gedankenschärfe beeindrucken, benötigen die Kompositionen von Häusermann mehr Einfühlungsvermögen, um ihre Kunst angemessen zu würdigen zu können. So meldete sich ein Zuschauer auch mit "Das ist eine Zumutung" lautstark zu Wort und viele verließen während der Vorstellung den Saal. Andere zeigten ebenso kräftig ihre Begeisterung mit Zwischenapplaus. Häusermann polarisiert mit seiner selbstironischen, wie beiläufig entstandenen Theaterkunstform. Wer sich auf sie einlassen konnte, erlebte einen poetischen, skurrilen und außergewöhnlichen Theaterabend.

Birgit Schmalmack vom 1.6.07