The truth about the Kennedys



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Es gibt keine Wahrheit

Eine Familiengeschichte- tauglich für Mythenbildung, das ist der Kennedy-Clan. Die Einwandererfamilie aus Irland setzt mit Patrick Kennedy 1849 den ersten Fuß auf das gelobte Land. Mit Ehrgeiz, Hartnäckigkeit und Ehrgefühl kämpfte man sich zu Reichtum und Anerkennung durch. Die Position des Außenseiters in der amerikanischen Gesellschaft mag den Drang zur Macht angestachelt haben. Die Ansprüche an den Nachwuchs stiegen mit jedem errungenen Erfolg der Elterngeneration. So zeugte Patricks Enkel Joseph mit seiner ebenfalls äußerst ehrgeizigen Frau Rose Fitzgerald neun Kinder, aus denen Großes werden sollte. Rose begreift die Erziehung als Fulltimejob, die die Grundlagen für den Aufstieg mindestens eines von ihnen an die oberste Spitze herausbilden muss. Dass auch Sex, Manipulation und Korruption zu den Ingredienzien des Erfolgsgemisch der Kennedys gehörten, macht den Stoff sicher nicht uninteressanter.

Luc Perseval hat sich in seiner Inszenierung für das Thalia Theater an die akribische Sichtung der Faktenlage gemacht. Schließlich heißt sein Stück nicht umsonst "The Truth about the Kennedys". Im Bewusstsein, dass "die Wahrheit" nur eine Konstruktion sein kann, nähert er sich in Zirkeln den möglichen Wahrheiten an. Er erzählt sie aus der Perspektive des JFK-Vaters Joe (Hans Kremer). Er, der strategisch operierende Geschäftsmann, und seine streng katholische, hart durchgreifende Frau Rose(Bibiana Beblau) werden zu den zentralen Einflussfiguren, die den Aufstieg dieser Familie erst möglich gemacht haben. Imagepflege durch die Medien wird mit großer Aufmerksamkeit betrieben und Verbindungen zur Mafia werden bei Bedarf eingesetzt. Die Kennedys schienen das System Amerikas perfekt durchschaut zu haben. Sie nutzten den Sozialdarwinismus geschickt für ihre Zwecke.

Das Bühnenbild besteht aus einer leeren Drehbühne, die unaufhörlich vor einer geschlossenen Wand aus riesigen Zeitungsstapeln kreist. Auf sie werden Foto und Videoprojektion mit Dokumentaraufnahmen geworfen, die im Medienbild seltsam unscharf wirken. Auf dem Drehteller kreisen die Familienmitglieder der Kennedys. Sie erzählen die Geschichte dieser Popikonen der Politik als eine Art Botenchor. Sie sind scheinbar objektive Boten, die sich aber gelegentlich so mit dem Erzählten identifizieren, dass sie kurzfristig in eine Rolle schlüpfen. Letztendlich sind sie aber austauschbar. So wie die reiche Produktion von Rose und Joe schon für Ersatz gesorgt hat: Wenn der eine durch einen tragischen Unfall zu Tode kommt, steht der nächste Familien-Soldat parat. Nach dem Tod des Erstgeborenen springt John sogleich für ihn. Nach dessen Ermordung steht Bobby bereit. War Hans Kremer am Anfang noch Joe, so wird er am Ende zu JFK. Alle sind einem strengen Kennedy-Kodex verpflichtet und können so jederzeit in diese Pflicht genommen werden. Die Zeit erscheint wie ein Kreis. Zum Schluss steht Ted Kennedy im Mittelpunkt. Sein Schicksal war es, dass er stets in der zweiten Reihe stand und dort bis zu seinem Tode blieb. Er wird nur zum Steigbügelhalter für Obama statt selber für das Präsidentenamt zu kandidieren.

Die Rollen der zahlreichen Geliebten der Kennedy-Männer, unter ihnen auch Marilyn Monroe, der Kult um Jackie Kennedy, ihre Beziehung zu Onassis, die Ehe einer Kennedy-Nichte zu Schwarzenegger: Alles bezieht Perseval in sein Kreisen um die Wahrheit ein. So ist es kein Wunder, dass sein Enthüllungsabend fast vier Stunden dauert. Jubelnder Applaus für die souveränen Darsteller und Buhs neben Bravos für das Regieteam brachte ihm das bei der Premiere zur Spielzeiteröffnung ein.

Birgit Schmalmack vom 10.9.09