"Krankheit der Jugend"


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Fütter dein Ego

Die Zeit der Jugend gilt als eine des Aufbruchs, der hochfliegenden Ziele, Träume, Energiegeladenheit und Lebensfreude. Weit gefehlt im Kreise der Medizinstudenten um Desiree, Irene und Marie. Alles zwar helle Köpfe, denen als erfolgreiche Studentinnen die Welt der Karriere offen zu stehen scheint, die aber bar jeder Illusion sind, was sie von der Welt zu erwarten haben. "Mit siebzehn sollte man sich erschießen", ist Desiree überzeugt. Nach der geborgenen Phase der Kindheit habe der Mensch keine Freude mehr im Leben zu erwarten. Marie mag ihr darin erst zustimmen, nachdem ihr Künstler-Freund Petrell sie mit ihrer Studienfreundin Irene betrügt und verlässt. Alt hat ohnehin schon vorher jedes Ideal verloren. Er der als Arzt den Menschen helfen wollte, ist im Knast gelandet, nachdem er einen Patienten von seinem Leiden erlöst hat. Freder ist ohne eigene berufliche Ambitionen: Er empfindet mehr Vergnügen daran, die Menschen um ihn herum zu manipulieren.

Ohne Ziel und Moral werden die Beziehungen zwischen den Menschen hohl. Sie dienen ausschließlich dazu das eigene Ego zu füttern. Sie werden zum Instrument der Macht, dienen zur Bestätigung der eigenen Manipulationsgeschick, der eigenen Attraktivität und dem eigenen Lustgewinn. Uninteressant werden die Menschen sofort, wenn sie diese Funktion erfüllt haben.

Marja Biel zeigt in ihrer Diplominszenierung auf Kampnagel im Rahmen der Weibsstücke schonungslos, wie Ferdinand Bruckners Analyse der Jugend in den Zwanzigern auf das 21. Jahrhundert zu übertragen ist. Sie stellt die Menschen und ihre Probleme in der Mitte der Halle wie auf einem Laufsteg aus. Das hat mitunter den Nachteil, dass der Text, der nur in eine Richtung gesprochen wird, auf der anderen Seite nicht ganz zu verstehen ist. Die Vorteile überwiegen klar: Eine spannende, klug zugespitzte Arbeit, die Biel hier abliefert.

Birgit Schmalmack vom 5.3.07