Käthchen von Heilbronn


Kritik
von
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Einsame Idealistin

Ein dunkler Weg öffnet sich auf der Bühne. Der schwarze Laufsteg führt ein weißes Viereck zu. Diese schlichte, schwarz-weiße Spielfläche steht den Personen zur Verfügung. Klar abgrenzt sind deren Handlungsspielräume. Und doch die gezeigte Geschichte handelt gerade davon, wie eine junge Frau versucht, diese zu durchbrechen.

Das Käthchen von Heilbronn (Jana Schulz) ist aufgrund eines Traumes davon überzeugt, dass Graf Wetter vom Strahl (Guntram Brattia) der für sie vorbestimmte Ehemann sein soll. Ungeachtet der Standesunterschiede, der Wünsche ihres Vaters und der gesellschaftlichen Erwartungen bricht sie alle Brücken hinter sich ab und folgt dem Grafen, wo immer er hingeht. Obwohl auch der Graf einen weissagenden Traum hatte, wagt er solche umwälzenden Entscheidungen nicht. Immer darauf bedacht, seine weiße Weste ja nicht beschmutzen zu lassen, hält es das in den Ställen schlafende, barfüßige, schmuddelige Käthchen auf sicherer Distanz. Er sieht lieber in der standesgemäßen Kunigunde von Thurneck (Julia Nachtmann) für seine Auserwählte. Doch Heinrich von Kleist hat seinem Käthchen ein Happy-End zukommen lassen. Durch glückliche Fügung des Schicksals beschert er ihr unerwartet den Stand und das Erbe, das den zaghaften Graf von Qualitäten vollends überzeugt.

Zunächst stehen die rührenden, aber vergeblichen Bemühungen des Vaters (Michael Prelle) seine Tochter vor dem gesellschaftlichen Aus zu retten im Mittelpunkt, dann gewinnt der Wettbewerb der beiden Aspirantinnen auf den Platz an des Grafen Seite an Fahrt. Kunigunde scheint mit ihren Bemühungen um Grafen die Nase vorn zu haben; die Hochzeitsvorbereitungen sind in vollem Gange. Doch das Käthchen bleibt hartnäckig. Sie schafft es das Leben der Schlossbewohner durch eine rechtzeitig überbrachte Warnung vor einem drohenden Angriff zu retten. Todesmutig stürzt sie sich danach statt des Bräutigams ins brennende Haus, um ein Bild für Kunigunde zu retten.

Vontobel ist ein an Ideen reicher Regisseur. Ihm gelingen Slapstick-Szenen um zwei Briefe ebenso wie Szenen, die als ein an Kitsch reicher, Elfen berankter Soapopera-Verschnitt daherkommen. Er kann tiefe Verzweiflung ebenso zeigen lassen wie kalte Berechnung und leichtfüßige Verliebtheit. Die Trumpfkarte für seine Inszenierung auf der Bühne des Schauspielhauses ist jedoch seine Hauptdarstellerin: Jana Schulz für das Käthchen. Ihr glaubt man in jedem Moment die unermüdliche, selbstlose Kämpferin für ihre Überzeugung. Ohne Rücksicht auf Äußerlichkeiten kämpft diese Frau für ihre Liebe. Sie scheint mit den Augen der Liebe Qualitäten an ihrem Angebeteten zu erkennen, die anderen verborgen bleiben. Für andere scheint dieses wankelmütige Muttersöhnchen ihrer Bemühungen kaum würdig. Am Ende hat Vontobel aus dieser ungleichen Kräfteverteilung die logischen Konsequenzen gezogen: Käthe schlüpft nicht nur in die Kleider des Grafen sondern auch in seine Rolle. Er dagegen hat ihr dreckiges Nachthemdchen an und schmiegt seinen Kopf in ihren Schoß.

Birgit Schmalmack vom 23.6.09