Entstaubtes Jägerlatein

Zwei Reihen pensionierter Jäger stehen an den beiden Rändern der Rasenrampe mitten in der K2 auf Kampnagel. Sie schmettern ihre Jagd- und Männlichkeitshymne "Wem gleicht wohl auf Erden" direkt ins Publikum, das auf zwei Tribünen verteilt sitzt. Hinter hinten fegt Titus Engel mit wehenden Haaren und Dirigentenstab umher und versucht sie zu noch enthusiastischerem Singen anzuspornen. Um gleichzeitig sein "Ensemble Resonanz" im Auge zu behalten, rast er zwischendurch immer wieder zu seinem Dirigentenpult zurück. Engel kann gewisse Ähnlichkeiten mit Otto Waalkes nicht verleugnen, doch ihn treibt neben dem Hang zur augenzwinkernden Ironie auch die ernsthafte Liebe zur Musik an. Und diese Musik hat viel Schönes und wohl Bekanntes zu bieten. Eingängig, romantisch und beschwingt hatte Carl Maria von Weber seinen damals sehr modern wirkenden "Freischütz" komponiert. Zusammen mit Tobias Schwencke hat Engel nun durch eine zeitgemäße Orchestrierung und kluge Streichung den Klangkörper einfühlsam aktualisiert.

Andreas Bode darf sich somit über einen stimmigen Rahmen für seine Inszenierung der Jägeroper freuen. Er hat den Klassiker mit psychologischen Kommentaren durch den weiblich besetzten Eremiten (Charlotte Pfeiffer) bereichert. Die Kostüme von Gwendolyn Jenkins sind dieses Mal (im Gegensatz zu ihrer gemeinsamen Arbeit für den "Parzival" und die "Bakchen") deutlich zurückhaltender und volkstümlicher ausgefallen.

Jäger Max (ein großer Junge im rosa Poloshirt: Stefan K.Heibach), der sich mit einem treffsicheren, mutigen Schuss die Hand von Agathe (im Hochzeitskleid mit bunter Trachtenstrickjacke: Larissa Krochina ) und das Geld ihres Vaters Cuno erobern soll, sitzt am Schluss hilf- und tatenlos auf seinem Stuhl, Agathe zu seinen Füßen. Er wurde vom Jägerchor mit Klebeband und ihren konservativen Traditionen auf seinem Stuhl festgesetzt. Mit subtiler Komik wurde so eine altbekannte Heimatgeschichte entstaubt.

Birgit Schmalmack vom 20.12.04