Celebration


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Eine feine Gesellschaft

Haben wir es doch schon immer geahnt: Die Reichen und Erfolgreichen sind auch nicht kultivierter als das Klischee des vielzitierten Mannes auf der Straße. Inhaltlich erschöpft sich ihr nicht-öffentliches Gerede in den drei Themen Sex , Macht und Geld. Sprachlich siedeln sie es mit Vorliebe unterhalb der Gürtellinie an.

Studieren darf man dieses Verhalten in der Inszenierung von "Celebration" im Thalia in der Gaußstraße von Stephan Kimmig. In einem piekfeinen, extrem teuren und angesagten Restaurant speisen drei Ehepaare. Alle haben gemeinsam, dass sie sich das Recht erarbeitet zu haben glauben, in diesem Etablisment Eintritt zu erhalten und sich so das Glück kaufen können, die "Ambience" dieser erhabenen Welt schnuppern zu dürfen. Dass von diesen Glücksgefühlen leider wenig zu merken ist, führt bei ihnen aber nicht zu weiteren Erkenntnissen.

Lambert (Jörg Lichtenstein) und Julie (Susanne Wolff) haben sich dieses Erlebnis gegönnt, um ihren Hochzeitstag würdig zu begehen. Natürlich stellt sich schnell heraus, dass es bei den beiden nichts zu feiern gibt. Das angeschlagene Auge von Julie, das sie hinter einen großen Sonnnenbrille versteckt, und der abfällige Umgangston, den ihr teurer Gatte ihr zukommen lässt, sprechen Bände. Ihre Schwester Prue (Anna Steffens) und sein Bruder Matt (Norman Hacker) sind ebenfalls verheiratet, auch bei ihnen bleiben die Gründe dafür das Geheimnis der beiden.

Das Pärchen am Nebentisch Suki (Judith Rosmair) und Russel (Stephan Schad) gibt sich wenigstens noch den Anschein, als hegten sie irgendwelche tiefergehenden Gefühle füreinander. Suki nimmt zum Beispiel Russels Hand, wenn er ihr von den Grießflammeri seiner Großmutter erzählen will, und bemüht sich redlich, ihm dabei ergriffen in die Augen zu schauen. Sie versichert ihm immer wieder, dass sie an ihn glaube- wenn sie auch nicht so viel Strategievermögen aufweist, dass sie ihm ihre wahren Gründe für diesen Glauben dauerhaft verschweigen könnte: Sie unterstützt seine glaubhafte Ausstrahlung, damit er immer weiter erfolgreich Geld einfahren kann, um ihr seine Liebe in Form eines neuen Autos und Hauses beweisen zu können.

Soviel Selbstinszenierung bringen die beiden Pärchen auf der anderen Seite des Restaurants schon nicht mehr auf. Dafür sind sie wohl schon zu lange zusammen und ihre Illusionsfähigkeit stark abgenutzt. Warum aber lässt es sich Julie aber trotzdem gefallen, wenn Lambert ihren Kopf mit einem harten Schlag auf den Teller befördert? Warum nimmt Prue gleichmütig zur Kenntnis, dass sich Matt wie ein Schwein am exquisiten Designertisch aufführt und die dreckigsten Witze und Lieder zum Besten gibt? Weil die Beiden nur einen Beruf haben: Sie sind den ganzen Tag in "caritativen Diensten" tätig, wie sie es nennen - sprich sie sind Ehefrauen. Als solche sind sie Angestellte ihres Mannes und vom Wohlwollen ihres Chefs abhängig, denn sie werden vom ihm bezahlt.

Natürlich mögen sie soviel Korruptheit auch vor sich selbst nicht eingestehen und halten das Bild der immer noch nach Liebe suchenden und auf sie hoffenden Frau für sich und ihren Mann aufrecht. So winseln sie um jedes Krümelchen Aufmerksamkeit und nehmen jede Verletzung mit stoischer, scheinbarer Unbekümmertheit auf.

Die Leitungsriege des Restaurants, der würdevolle Restaurantbesitzer (Peter Maertens) , die schweigsame, distanzierte Hausdame (Maren Eggert) und der tolpatschige, redselige Kellner (Asad Schwarz-Mesesilamba) steuern mit ihren Äußerungen und ihrem Gehabe nicht zum Tiefgang dieser Pseudo-Kultur bei.

Was soll uns dieses Stück über diese Yuppis wohl sagen? Geld verdirbt den Charakter? Glück lässt sich nicht erkaufen? In den teuersten Elitestätten dieser Welt stellen sich nur miese Chauvis mit ihrem gekauften weiblichen Anhang zur Schau? Denn sie können es sich im Unterschied zu anderen leisten, die Leute, die sie traktieren, so gut zu bezahlen, dass diese sich nicht beschweren können?

Über die Orginalität dieser Aussagen mag man (kaum) geteilter Meinung sein, aber die Umsetzung durch das wunderbare Ensemble des Thalia Theater ist einfach brilliant. Was diese Schauspieler aus diesen zum Teil etwas banalen, allzu klischeehaften Sätzen zu zaubern vermögen, ist sehr sehenswert. Ebenso wie das Bühnenbild von Katja Haß, das eine glitzernde Diskoathmosphäre in einem steril-elitären Designerrestaurant entstehen lässt. Und wer erst gesehen hat, wie Norman Hecker seine zuckenden Glieder zur Musik tanzen lässt, stellt wohl keine allzu bohrenden Fragen an den Text mehr.

Kritik von Birgit Schmalmack