Typisch Mann


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Sich nicht blenden lassen

Das wohlbekannte, nervende Piepen des Weckers holt das schlummernde Ehepaar (Katrin Bernhardt, Oliver Hermann) aus dem Bett, das neben einem offenen Badezimmer fast die ganze Bühne des Theaters in der Basilika einnimmt. Schon das anschließende morgendliche Gedrängel vor dem Waschbecken lässt den Zuschauer schmunzelnden Einblick nehmen in das eheliche Miteinander der Beiden. Für alltägliche Streitigkeiten sorgen sowohl der hochgeklappte Klodeckel als sicheres Indiz für das Pinkeln im Stehen wie die gewünschte Beratung bei der Suche nach der passenden Bluse. Als der Mann in ihrer Handtasche eine unbekannte CD mit der Widmung "Für meine Venus" findet, schließt er messerscharf auf einen Rivalen, der seine Frau bei ihren Kursen in der Kunsthochschule bezirzt haben wird. Künstler, Vegetarier und besser im Bett, vermutet er aufbrausend. Als es seine Gattin auch noch wagt, ihn an seine häufigen Frauengeschichten im Laufe ihrer Ehe zu erinnern, stürmt er tobend mit Koffer aus dem Haus. Das sei wohl etwas ganz anderes gewesen: saubere, kurze Sex-Affären, die nichts mit ihrer Beziehung zu tun hätten. Der Ehemann fühlt sich betrogen: Da hat er nun jahrelang ihre Hab-nichts-anzuziehen-Attacken ertragen und ihr hundert Mal gesagt, dass sie nicht zu dick ist, und wird doch abgemeldet.

In diesem Moment kann sie noch nicht absehen, dass sie nach ihren Erfahrungen, die die sie im Laufe von "Typisch Mann" mit ihren neuen Charmeur (Til Ciaro) machen darf, die Quintessenz ziehen wird, sich in Zukunft nie wieder so blenden zu lassen. Denn am Ende muss sie schweren Herzens feststellen, dass auch er nur ein Mann ist, der, wenn er an seinem beruflichen Ehrgeiz gepackt wird, seine Romantik, Massagetechniken und Einfühlsamkeit schnell ad acta legen kann. So lernt sie ihren Ehemann wieder zu schätzen, nachdem dieser seine einstmaligen Qualitäten als Romantiker wieder aus der Versenkung hervorgekramt hat. Vielleicht ist ihr auch wieder eingefallen, dass er derjenige ist, der für sie und ihren Sohn schließlich mit der Sanierung von Plattenbauten zuverlässig das Geld heranschafft und somit ihre Kunstkurse und ihre finanzielle Unbedarftheit erst ermöglicht.

Das Publikum amüsierte sich köstlich während dieses so erkenntnisreichen, lebensnahen Stückes, denn für einen hohen Wiedererkennungswert war gesorgt. Kaum ein gängiges Bild von typischem Verhalten von Männlein oder Weiblein wurde ausgelassen. Publikumswirksam und erheiternd wurden sämtliche Klischees aufgespießt, die beweisen sollen, dass Männer und Frauen in unterschiedlichen Galaxien leben und sich doch mit ein wenig guten Willen begegnen können. So eignet sich dieser Abend für Paare, die gerne gemeinsam über die Probleme in anderen Beziehungen herzhaft lachen und doch beruhigt über ihre verhältnismäßige Harmonie Arm in Arm den Theaterraum verlassen wollen.

Birgit Schmalmack