Aufgespießt

Die Tänzerinnen des Ensembles der New Bulgarian University kommen langsam schreitend oder leicht trippelnd in traditionell gewickelten Kostümen auf die rot/weiß beleuchtete Bühne. Doch die langen spitzen Holzstäbe an ihren Händen, am Kopf und am Körper, die ihren Handlungsspielraum entscheidend einschränken, irritieren. Begegnungen untereinander sind nur mit vorsichtigem Abzirkeln und Koordinieren der Marschrichtungen möglich. Die Stäbe wollen sorgsam ineinander geschoben werden und bei jeder Rührung berücksichtigt werden. Diese Bilder prägen sich bei der Produktion "Customs" ein. Genau wie die Sitten und Gebräuche eines Landes, denen die Regisseurin Vazkressia Viharova mit diesem Stück nachspüren will, den Menschen die Regeln des gemeinsamen Agierens aufzeigen, so zeichnen die Spieße ihre Bewegungen vor. Gleichzeitig deuten sie die Gefährlichkeit der Nichtbeachtung an. Sie können aber auch den Zusammenhalt umso wirkungsvoller werden lassen, da die verhackte Phalanx wie ein unüberwindbarer Zaun erscheint.

Viharova erkundet die Wurzeln der bulgarischen Kultur in drei Teilen: Im ersten lässt sie die Akteurinnen langsam zu wiegenden, schaukelnden Bewegungen im Sitzen die Sprache entdecken. Es entsteht ein vielstimmiger Chor, der von Lauten über Silben zu Wörtern und Sätzen findet. Im zweiten widmet sie sich dem Volkstanz. Drei Elemente aus traditionellen Tänzen bilden die Grundlage für ihre Neuzusammenstellung. Für den letzten Teil wird das nun schummerige Bühnenlicht durch angezündete Feuerfelder unterstützt. Nur mit Sackpfeifen vor dem Körper kommen die nun unbekleideten Darstellerinnen auf die Bühne und räkeln sich zu erotischen, werbenden Worten auf dem Boden.

Viharova schuf eine hoch verdichtete, artifizielle Arbeit, die sich der Mittel sowohl der Bewegungen wie auch der Sprache bedient. Ersteres ist international verständlich, für das zweite wäre eine Ahnung, wovon gesprochen wurde, ganz nützlich gewesen. Auch wenn der Klangaspekt des Bulgarischen ausgelotet werden sollte, mussten so leider ein paar Einblicke in die bulgarische Kultur im Ungefähren bleiben.

Birgit Schmalmack vom 16.03.03