Optimisten


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Gutmenschen auf Bildungsurlaub

Bürgerliche Gutmenschen machen sich auf zum Bildungsurlaub. Wie die politisch korrekten Urlaubsziele unversehens zur Nagelprobe ihrer vorgegebenen Moral werden können, zeigt Moritz Rinke in "Die Optimisten". Regisseur Hartmut Wickert setze die gutbetuchte, eloquente Urlaubsgruppe, die aufgrund einer Buspanne in einem menschenverlassenen Hotel festsitzt, in eine leicht surreal anmutende Hotellobby. Gediegene Teakmöbel, ein Felsen und die spiegelnde Glasfront mit Blick auf einen Tempelsee und akustische Urwaldsymbole bilden den äußeren Rahmen für die Glaubenskämpfe der fünf Touristen. Die gerade aus dem Kosovo zurückgekehrte Ärztin (Judith Rosmair), die Single-Frau (Victoria Trauttmansdorff) auf der Suche nach etwas Herzbewegendem, der verbeamtete Alt-68er aus der Kultusbehörde (Harald Baumgartner) mit seinem Marx unterm Arm und das Noch-Paar aus Filmregisseur (Norman Hacker) und gewollt engagierter Journalistin (Anna Steffens) sind mit dem Reiseleiter (Hartmut Schories) und dem Busfahrer (Peter Maertens) unerwarteten Belastungen ausgesetzt. Sie hatten eine Pauschalreise mit Erkenntnis- und Erholungszuwachs gebucht und finden sich in Lebensgefahr mitten in einem Krisengebiet wieder. Ihr Hotel wird von Maoisten umstellt und abgeriegelt. Da sie davon nichts ahnen, planen sie weiter ihre Petition für den indischen Premierminister, die sie ihm auf einer Globalisierungskonferenz überreichen sollen.

In Wickerts Umsetzung bleiben die Zusammenhänge für die Zuschauer ebenso unklar wie für die beteiligten Urlauber. Unentschlossen zwischen Thriller, Politik- und Beziehungsdrama hin- und herschwankend wirken selbst die wunderbaren Schauspieler des Thalia-Ensembles manchmal etwas verloren. Da wird einerseits eine neue Weltmoral gesucht. Da dürstet gleichzeitig der älteren Single-Frau nach etwas Zuwendung und sie wirft sich dem Kultusbeamten an den Hals. Dieser verliert sich wiederum in marxistischen Kapitalismustheorien. Da will die Journalistin endlich mal irgendetwas Sinnvolles tun und stürzt sich auf den Basmati-Reis-Skandal zwischen der amerikanischen Saatgut-Mafia und den indischen Bauern. Da wird der Alt-Aktivist plötzlich scharf auf die Neu-Aktivistin. Mit den plötzlich in einer mysteriösen Kiste auftauchenden Maschinengewehren, einem blutverschmiertem Säbel und den Tod des ideologischen Leiter der Ethik-Kommission werden Gruselelemente eingestreut. Doch der angerichtete Mix führt nicht unbedingt zur von Rinke intendierten Zuspitzung der Probleme und Ideen. In der chaotischen Häppchenstruktur können die psychologischen und politischen Konflikte leider nur oberflächlich angerissen werden.

Birgit Schmalmack vom 15.9.04