Was ist diese Leidenschaft wert?

Die Einfache Bühne ist dafür bekannt, Geschichten mit einfachen Mitteln neu zu erzählen. So versuchte sie auch im Rahmen des Eigenarten-Festivals die berühmteste Liebestragödie "Romeo und Julia" unter neuen Gesichtspunkten zu beleuchten. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Studio E der Musikhalle spürt sie der Liebensfähigkeit des leidenschaftlichen Liebhabers Romeo nach. Wie groß kann sie sein, wenn er doch zu Beginn des Dramas das Objekt seiner übergroßen Liebe scheinbar beliebig wechselt? Ist es doch zunächst Rosalind, für die er so sehr schwärmt, dass er sich unter Todesgefahr auf das Fest der verfeindeten Familie Capulet schleicht. Doch als er dort Julia erblickt, ist Rosalind schnell vergessen. Was soll man von einem solch wankelmütigen Liebenden halten?

Das fragt sich eine aufmerksame Leserin (Nadine Marsian) des Shakespeareschen Stückes. Sie versetzt sich in die Personen und spürt ihren Beweggründen nach. Immer wieder betrachtet sie neue Aspekte, indem sie sich von weiteren Seiten dem Stoff nähert.

Regisseur Evgeni Mestetschkin macht das deutlich indem er sie auch die Bühne immer wieder neu gestalten lässt. Das gelingt hervorragend mit den Stühlen und Tischen, die aus den klappbaren Sperrholzplatten (Bühne: Robert Booth) gefaltet werden können. Witz erreicht die einstündige Inszenierung, wenn am Anfang und am Schluss Assoziationen von Leuten auf der Straße zu ihrem Verständnis von Romeo und Julia eingefangen werden. Besonders erfrischend sind die Bemerkungen von den zwei mitwirkenden Kindern, die ihre Sichtweise der großen Liebe mit frechem Humor zum Besten geben.

An den Erfolg der brillanten Aufführung von "Zu den drei Schwestern" kann diese neue Arbeit der Einfachen Bühne zwar nicht ganz heran reichen, doch das Publikum honorierte die Premiere mit langanhaltendem Applaus.

Birgit Schmalmack vom 6.11.05

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