Der Geizige


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Geiz ist geil

In einer Zeit, in der Geiz wieder geil ist, muss es keinen Widerspruch mehr darstellen, wenn der Geizige mit seinem Besitz protzt. So darf Harpagon (Samuel Weiss) sich an technischen Neuerungen des 21. Jahrhunderts in seiner luxuriösen Neureichen-Villa erfreuen ohne dabei seine kleinkrämerische Denkungsart aufgeben zu müssen. Ganz im Gegenteil: Auch seine Nachkommen handeln ganz im Sinne seiner Erziehung: Ihr Denken und Trachten ist wie seines ganz dem Gelde geweiht. Tochter Elise (Katja Danowski) und Sohn Cleante (Felix Kramer) frönen ohne tiefere Grübelaktionen dem dekadenten Hedonismus. Geld als allgegenwärtiges Attribut ihres Lebens im goldenen Käfig ist so zu einem bestimmenden Faktor geworden, dass ein Leben ohne es jenseits ihrer Vorstellungskraft liegt. So träumen sie zwar von einem Ausbruch aus dem Kontrollbereich ihres Vaters, aber eher als sichere, weiche Landung mit einem ausreichend großen Erbe. So sind ihre Wünsche nach Trennung vom Vater und Aufbau eines eigenen Lebens mit ihren Wunschpartner nette Traumgespinste, denen sie gerne nachhängen, aber deren Verwirklichung nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgen.

Ivo van Hove ist eine überaus zeitgemäße Moliereinszenierung gelungen, die den oberflächlichen Tanz ums Geld vorführt. Er zeigt Menschen, die das Multi-Tasking, das sie sich verordnet haben, um bloß nichts zu verpassen, zu ihrem Lebensstil erkoren haben. Sie machen alles im Vorbeigehen: Essen, Telefonieren, Börsenkurse Checken, Ankleiden, Reden, Sex, Tanzen, Schreien. Die Bildschirme flimmern in jedem der Zimmer des Glaspalastes, den Jan Verweyveld auf die Bühne gestellt hat. Überall stehen Attribute des Reichtums von Bauhausmöbeln bis Versagestühlen herum. Alle fünf Minuten werden die Kleidungsstücke gewechselt. Immer wird Fast Food gemüffelt. Kultur oder Stil sind hier Fremdworte. Stattdessen wird geprotzt, was das Zeug hält. Eine tolle Inszenierung, die auch das Publikum anzieht. Die Reihen im Schauspielhaus sind fast bis auf den letzten Platz gefüllt.

Birgit Schmalmack vom 10.01.07