Französische Leben - und Leidensart

Drei Freunde trauern um ihren Freund Fernand. Dabei sehen sie aus, als würden sie ihm demnächst folgen wollen: Die Haare hängen strähnig und fettig herunter, die Augen sind rot gerändert und haben tiefe Schatten, die Zähne sind angegilbt von viel Rauch und Alkohol und die Kleidung ist abgewetzt. Ihre Trauer lässt keinen Platz für solche Oberflächlichkeiten wie Köperpflege. Sie suchen Trost in gemeinsamen Erinnnerungen und gemeinsamem Liedgut. Viele Worte machen sie dabei nicht, sie drücken ihre Gefühle lieber auf musikalische Weise mit Liedern von Jacques Brel aus.

Phillip Hagen liefert dazu den instrumentellen Hintergrund. Als Ein-Mann-Orchester lockt er zum Teil gleichzeitig Töne und Geräusche aus dem Klavier, der Posaune, der Melodika und der Tuba - und zwar auch nie gehörte. Hier kann das Piano auch schrapen, krächzen und zwitschern, hier kann die Tuba husten, swingen und tanzen, hier kann die Melodika singen.

Alexander Simon hat schon im "Sturm" bewiesen, wie gut er Schlagzeug spielen kann. In "Jacques un pour soi" zeigt er, dass er außerdem hervorragend singen kann. Nicolas Rosat steht ihm in dieser Hinsicht in nichts nach. Das heißt, eigentlich machen sie wesentlich mehr als singen: Sie lassen jeden Chanson zu einer kleinen Geschichte werden. So erzeugen viele Lieder den Wiedererkennungseffekt, aber lassen ihren Schöpfer Brel im Laufe des Abends immer wieder vergessen.

Simon und Rosat zeigen, wie traurige Clowns ihre Trauerarbeit bewältigen. Sie versuchen sich immer mal wieder in kleinen Slapstickeinlagen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf der Traurigkeit zu ziehen. Falls das nicht hilft, begießen sie sie mit größeren Mengen Rotwein und versuchen sie mit vielen Zigaretten auszuräuchern. Immer wieder kehren sie aber zu ihrem Lieblingsgegenmittel zurück: Sie tauchen sie ins Meer der sentimantalen Chansons von Brel ein. Jacques Brel hat ihnen dafür großartiges Material zur Verfügung gestellt, um eine anrührende Melancholie der französischen Art zu erzeugen.

Kritik von Birgit Schmalmack vom 18.5.01

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