Freischütz


www.hamburgtheater.de

Originelles Halodri

Konwitschny's Inszenierung des "Freischütz" an der Staatsoper sollte vielen gefallen: Den Musikliebhabern und -kennern der altbekannten und beliebten Passagen dieses Operettenklassikers, den traditionsbewussten Zuschauern, die ihren Liebling noch wiedererkennen sollten, aber auch dem jüngeren Publikum, das beim Thema "deutsches Volkstum" nicht nur Unzeitgemäßes entdecken sollte. Um es vorweg zu nehmen: Dieses Spagat der Vereinbarung des scheinbar Unmöglichen ist Konwitschny gelungen.

Im ersten Abschnitt vor der Pause zeigt er den eher konventionellen Teil seines Abends mit einem allseits erfreuenden Höllenspektakel am Ende. Er siedelt das Geschehen in einem schwarz abgehängten, mit nur einem Geviert zum Himmel geöffneten Raum (Bühne: Gabriele Koerbi) an. Hier lässt er das Volk über Max (Poul Elming) schwindende Treffsicherheit spotten. Hier lässt er Max sich über sein zu erwartendes Unglück grämen, wenn er auch morgen sein Ziel verfehlen und dadurch seine Braut Agathe (Charlotte Margiono) verlieren wird. Hier lässt er Maxens Angebetete auf ihren Verlobten sorgenvoll warten. Und hier beschert er dem actionfreudigen Zuschauer zum Abschluss ein nettes pulvergeschwängertes Feuerwerk beim Gießen der Teufelskugeln in der Wolfsschlucht.

Nach der Pause zeigt sich ein völlig veränderter Raum in Frühlingsgrün mit einem türkisen Podest. An diesem Altar erwartet noch hoffnungsfroh Agathe ihren Bräutigam. Hier will sie mit ihren Jungfern den grünen Brautkranz winden. Hier fehlt wenig später Max tatsächlich beim entscheidenden Schuss durch das böswillige Ränkespiel von Caspar (Albert Dohmen) und trifft, so will es die Gerechtigkeit, statt der anvisierten Glühbirne ( in Vertretung der Taube) den Bösewicht. Hier wird der Fürst von einem Mann aus dem Volke - sprich Publikum - und nicht aus dem Himmel überredet, trotz dieser erwiesenen Irreleitung der Hochzeit zwischen den Brautleuten zu stimmen.

So weit dürften auch die Traditionalisten noch zufrieden gewesen sein. Doch als Konwitschny die Jägerdamen als erlegtes Wildbret in der grünen Dekoration auf die herausgefahrenen Stufen legt und vom Teufel beschnüffeln lässt, mussten einige wahrscheinlich schon schlucken. Als dann aber das berühmte Jagdlied vor der Intonierung erst einmal in Loriot-Manier von Samiel (Jörg Michael Koerbi) textlich in seiner ganzen halodrischen Inhaltsleere dargeboten wurde, freuten sich vielleicht eher diejenigen, denen der ganze Waidmannszauber sowieso nicht ganz geheuer vorkam.

Letztlich schafft es Konwitschny alle zum Schluss in dem wunderbaren Happyend der ganzen Jagdgesellschaft zu versöhnen und zufrieden nach Hause gehen zu lassen. Dass dabei eher ein Puzzlespiel der verschiedensten Stückchen denn ein Gesamtkunstwerk herausgekommen ist, versteht sich fast von selbst. Doch wer wäre so vermessen, auch noch dieses Wunder von dem Regisseur zu erwarten?

Kritik von Birgit Schmalmack vom 6.6.01