Flötentöne

....bekommt man bis Ende August 2001 im Altonaer Rathaushof beigebracht - zum Glück solche der amüsanten und angenehmen Art. Zu Gehör werden sie von einer siebenköpfigen Sänger- und Schauspielertruppe unter der Regie von Dieter Seidel gebracht. Er hat mal wieder, wie in seiner Inszenierung um Franz Schubert, seine glückliche Hand mit musikalischen Stoffen unter Beweis gestellt. Hier geht er der vermeintlichen Entstehungsgeschichte der Zauberflöte kurz vor der Premiere an einem Vorstadttheater nach. Dazu reduziert er die Orchesterstärke auf zwei Männer und eine Frau, die so virtuos mit ihren Instrumenten spielen können, dass sie keinen weiteren Musiker vermissen lassen.

Gekonnt werden alle räumlichen Gegebenheiten des Innenhofes genutzt. Ob plötzlich die Büsche durch die in ihnen versteckten Sänger singen können, ob die bunten Glasfenster als Kapelle erleuchtet werden, ob die Frauen putzlappenwedelnd aus verschiedenen Amtsstuben ihren Wunsch nach Liebe erschallen lassen oder ob der Countertenor Jan Kollmar seine Variante der Arie der Königin der Nacht von oben herab auf die Zuschauer ertönen lässt - immer werden Überraschungseffekte im ganzen Innenhof gezündet.

Das Arrangement zeugt von erheblichen Einfallsreichtum und Spielfreude. In der ersten Hälfte gerät dank der zahlreichen Anzahl der spaßigen Ideen fast die durchgehende Linie der zu erzählenden Geschichte in den Hintergrund. Nach der Pause gewinnt die Szenenfolge eindeutig an Stringenz: Nun darf Andreas Schäfer als Mozart den ihm angemessenen Raum einnehmen. Schäfer versteht es einen Mozart äußerst lebendig werden zu lassen, dem nichts Menschliches fremd ist und der garantiert nicht in höheren Genieregionen schwebt. Bei ihm ist er ein volksnaher Notenproduzent mit orangen Rüschenhemd und passender Walleperücke, der ganz nach dem Gusto seines schicken Geldgebers "Schicki-Schacki-Schikaneder" (Jens Wesemann) Arien, Melodien, Akte, Orchesterpartien ausspuckt, wenn ihm der Gegenwert angemessen scheint. Der kann in bar abgeliefert werden - oder in Naturalien oder in Liebesdiensten ganz besonders reizender Sängerinnen.

Doch er kennt auch dunkle Momente, in denen er sich nach seinem "Stanzerl" verzehrt. Nach solchen Nächten in seinem kleinem Komponistenhäuschen benötigt er ganz dringend seine rosa Sonnenbrille, um seinen Blick in die Welt etwas rosiger zu gestalten.

Für heitere Akzente sorgt das brave Faktotum (Ingo Braun), der ein strenges Auge auf die Einhaltung der Kosten, den Kaffee, die Zeitabläufe und den Wahrheitsgehalt der Geschichte hat. So beschwert er sich im Namen der Mozartliebhaber, dass dieser saufende, rüpelnde Mozart wohl kaum der wahre sein könnte. Doch Schäfer weiß dank seiner Präsenz seine Truppe und das Publikum vom Gegenteil zu überzeugen.

Das begeisterte Publikum verlangt etliche Zugaben, bis die Truppe erschöpft bittet: "Wir wollen nach Hause gehen", natürlich auf ihre musikalische, wohlklingende und augenzwinkernde Art.

Birgit Schmalmack vom 29.7.01