Endstation Sehnsucht


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Kritik
von
Spiegel-online
Nachtkritik
Abendblatt
mopo
Oldenburgische Volkszeitung (dpa)
KN
Welt

Endstation Sehnsucht

Blanche ist nichts geblieben außer ihrer schönen äußeren Fassade. Hinter ihrer makellosen Schönheit, ihrer ebenmäßigen Figur versucht sie ihr zerbrochenes Selbst zu verstecken. Alles ist weg, was ihr zuvor noch Halt gab. Der Besitz ihrer reichen Gutsbesitzerfamilie ist verloren, ihr über alles verehrter Ehemann hat Selbstmord begangen. Zuletzt kostete sie ihre Suche nach Nähe in flüchtigen Sexbekanntschaften ihren Job als Lehrerin. Nun ist sie in letzter Hoffnung nach New Orleans zu ihrer jüngeren Schwester Stella gefahren. Doch sie ist schockiert. Ihr erscheinen die Verhältnissen, in denen Stella lebt, als erbärmlich. Ihr Ehemann ist ein ungeschliffener Macho, der Stella mit Schlägen und Küssen nach seinen Wünschen herumkommandiert. Blanche weiß nicht, welche Rolle sie einnehmen soll. Ist sie die schwache Hilfe Suchende? Oder ist sie die überlegene starke Schwester, die ihre kleine Schwester aus den unwürdigenden Umständen erretten muss? Und was soll sie für Stanley geben? Etwa die verführerische Schöne - die Rolle die sie am besten zu spielen versteht? So kommt sie in ihren hochhackigen Stelzenschuhen auf dem welligen Untergrund ins Schwanken, während sie herumstolziert.

Zum Glück betritt eine neue Spielfigur die nasskalte Arena aus schwarzen Plastikbahnen, die eigentlich jeden Lichtblick verbieten: Mitch, der biedere, höfliche Kumpel von Stanley, lässt in ihr noch einmal Hoffnung aufkeinem. Sie bittet ihn über die kahle, schwach glimmende Glühbirne einen bunten Papierlampion zu hängen. Doch was wie ein Symbol für schönere Aussichten aussehen könnte, erweist sich nur als eine weitere schöne, papierne Fassade. Denn Stanley will der arroganten Schönen nicht kampflos das Feld überlassen. Er setzt alle Hebel in Bewegung um hinter das Geheimnis dieser Frau zu kommen und seine Frau und seinen Freund Mitch vor ihren Fängen zu retten. Das ist er sich seiner Rolle schuldig: Er muss klar stellen, dass er in dieser schwarzen Höhle herrscht und nicht diese daher gelaufene Frau.

Der plötzliche Schluss kann nicht ganz überzeugen. Blanche soll in eine Anstalt abgeführt werden. Doch die Verrückte nimmt man dieser Blanche kaum ab. Als die Sanitäter sie abholen kommen, rettet sie sich weiterhin in ihre Lieblingsrolle: die der makellosen Schönen. In Positur geworfen schminkt sie sich und räkelt sich am Bühnenrand.

Maren Eggert läuft in dieser Rolle zu Höchstformen auf. Sie spielt variantenreich die wechselhafte Labile, die ihrer Wurzeln beraubt ist und sich in Vordergründigkeiten rettet. Karin Wichmann ist ihr ein grandioses Gegenüber, das herzerfrischend bodenständig in den kurzen Shorts ungeniert ihre drallen Beine und ihre schlichten Ansichten präsentiert. Alexander Simon darf allerdings in dieser Inszenierung nicht seine ganze Bandbreite zeigen. Zu einseitig ist er auf den lauten Rohling festgestellt. Andreas Döhler als Mitch dagegen brilliert in dem differenzierten Ausdruck seiner Sehnsucht nach Zuneigung und Beständigkeit. Stephan Kimmig hat in dieser Inszenierung nicht nur wie sonst auf psychologische feine Analysen gesetzt sondern auch laute Töne anschlagen lassen. Das Premierenpublikum honorierte das Gesehene dennoch mit einhelligem Applaus.

Birgit Schmalmack vom 26.2.08