Unendlicher Teufelskreis

Die Hölle, das sind die Anderen. Dieser Ausspruch von Jean-Paul Satre aus seinem Stück "Die geschlossene Gesellschaft" ist oft zitiert geworden. Die freie Laientheatergruppe aus Hamburg "projekt drei" hat sich im Theater Imago dieser Darstellung der Hölle angenommen. Die drei Figuren, die sich in einem Fegefeuer ohne Folterknechte und -werkzeuge ihre Zeit zur Hölle machen, haben alle ihre mehr oder weniger bewussten Sünden auf dem Konto. Alle sind auf der Erde nicht mehr existent, aber im Jenseits zu ewiger Strafe verurteilt worden. Wie könnte diese Hölle aussehen? In den Augen des Regisseurs René Braun ist sie ein leerer schwarzer Raum mit drei weißen Sitzkästen vor bordeauxroten Wänden mit goldener Schrift. Er ist die ganze Zeit gleichbleibend hell erleuchtet, um den Verurteilten keine Ruhepausen zu gönnen.

Drei sind immer einer zu viel, um zu einer wenigstens vorübergehenden Ruhe zu finden. Versucht Estelle (Katharina Linz) das einzige männliche Wesen zu becircen, stört Ines (Rahel de Silva) jede aufkeimende Zweisamkeit mit zynischen Bemerkungen. Leider treffen sie viel zu gut ins Schwarze um Garcin (René Braun) nicht zu stören. Wendet er sich dagegen Ines zu, weil sie ihm in ihrer Schärfe und Unnachgiebigkeit gleicht, klimpert Estelle wieder mit ihren Augen. Finden dagegen die beiden Frauen zu einer vorübergehenden Vertrautheit, reizt Estelle die Gleichgültigkeit des Mannes zu sehr um sie ignorieren. Estelle ist nämlich gewohnt ihre Wertigkeit über die Aufmerksamkeit der Männer zu definieren. Schließlich hat sie aus armen Verhältnisse einen reichen älteren Freund ihres Vaters angeln können und mehrere Geliebte verschlissen. Ines hat anderes auf dem Kerbholz: Sie liebt es die Menschen zu manipulieren. Sie zerstörte die Beziehung zwischen ihrem Vetter und seiner Freundin durch ihr stetig verabreichtes Gift und trieb letztere in den Selbstmord und Mord an der Verursacherin. Garcin hält sich zwar für den unabhängigen, pazifistischen und hochmoralischen Journalisten, hat aber seine Frau durch seine fortwährenden Erniedrigungen vor Kummer zugrunde gerichtet. Alle haben in ihrem Leben auf der Erde schon bewiesen, dass sie zu allerlei Gemeinheiten in der Lage sind und somit die Eignungsprüfung als Folterknechte für den jeweils anderen in der Hölle mit Bravour bestanden. Auch als sie am Ende feststellen, dass die verschlossen geglaubte Tür die ganze Zeit offen war, beschließen sie: "Machen wir also weiter!" Den Teufelskreis ihrer Beziehungsunfähigkeit konnten sie auf der Erde nicht durchbrechen, warum sollte es ihnen in der Hölle gelingen?

Bemerkenswert stringent ging das Ensemble - nur unterstützt von wenigen Film- und Musikeinspielungen - dem immer noch höchst aktuellen Text in seinen vielschichtigen Aspekten nach. Besonders die schauspielerische Leistung von René Braun, der gleichzeitig Regie führte, beeindruckte in ihrer tiefgründigen Unaufgeregtheit. Auch Rahel de Silva und Katharina Linz in den Frauenrollen zeigten in sich schlüssige Persönlichkeiten und gaben der Faszination von Satres Gedanken viel Raum.

Birgit Schmalmack vom 3.5.04