Kritken zu "Le Festin" von
Abendblatt
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Ein Fest der Sinne

Das französische Tanzensemble aus Nantes richtet in ihrem Stück "Le Festin", das 2004 Premiere hatte, ein Fest der Sinne für das Publikum aus. Die Zuschauer sitzen in der K1 mit auf der Bühne um eine quadratische Tafel herum. Diejenigen in den vier ersten Reihen können die langen Tische fast berühren. Ihnen steht ein hautnahes, sinnliches Erlebnis bevor.

Inmitten des Quadrat sammeln sich die Tänzer zu einem Spiel der Annäherung und der Abstoßung. Liebe und Hass, Dominanz und Unterwerfung kennzeichnen die Beziehungen der halbnackten Frauen und Männer. Sie ziehen sich an und stoßen sich wieder ab. Sie werfen sich in die Arme und schleudern sich zu Boden. Sie liebkosen ihre Körper um sich kurz darauf zu beißen. Wie an unsichtbaren Fäden dirigieren sie dabei ihren Partner oder ihre Partnerin. Die Rollen des Unterdrückers wird dabei sowohl von Frauen wie auch von Männern übernommen. Immer wieder wechseln die Zusammensetzungen. Auch gleichgeschlechtliche Paare kommen dabei zu Stande. Faszinierend und immer wieder spannend neu werden hier im Zeitraffer Beziehungen geknüpft und wieder aufgelöst. Da scheint die große Liebe gefunden und man sinkt sich glücklich in die Arme. Dann flieht man voreinander, um gleich darauf resignierend zurück zu kehren. Der Begrenzungsraum des Quadrates schränkt die Möglichkeiten ein. Wie in einer neuzeitlichen Arena sind die Tänzer zu beobachten und geben ein Spiegelbild der heutigen Kurzlebigkeit.

Plötzlich werden die unterlegenen Tänzer abrupt mit einem lauten Knall reihum auf die Tischplatten geschleudert. Ihre Tanzpartner drücken sie in einer dezidierten Balance halb liebevoll halb gewaltsam auf das Holz. In einem hocherotischen Spiel erkunden sie den Körper mit der Nase und der Zunge, um gleich darauf mit harten Schlägen ihm ihre Macht zu zeigen. Ein perfides Spiel spielt sich direkt vor den Zuschauern ab. Immer wieder blicken die Tänzer ihnen direkt in die Augen, strecken ihnen die Hände entgegen und beziehen sie in ihre Beziehungsspiele mit ein.

Claude Brumachon und Benjamin Lamarche schonen sich (er tanzt selbst mit) und seine Tänzer nicht. Mit großer Intensität begeben sich die Tänzer bis zur Erschöpfung auf die Suche nach Kontakt mit dem anderen. Sie wollen sich selbst finden durch die Begegnung mit dem anderen. Die Tänzer spüren mit Leib und Seele der Energie ihres Körpers nach. Ihre Wirkung und Ausstrahlung auf das Publikum ist von durchschlagender Kraft. Selten wurde eine Tanzgruppe am Schluss ihrer Vorstellung so begeistert bejubelt. Die Zuschauer trommelten, klatschen, und bedankten sich mit standing ovations für die herausragenden Leistungen der Tänzer und ihrer Choreographen.

Birgit Schmalmack vom 27.8.05