Kritiken zu "Raga for the rainy season/A Love Supreme" von
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Tanzend im Regen

In ein weißes Quarree treten acht weiß gekleidete Tänzerinnen und ein Tänzer. Eine der Frauen beginnt sich akzentuiert zur einsetzenden Musik zu bewegen. Mit kraftvollen, fließenden Arm- und Beinschwüngen, die bis in die letzte Bewegung ausgefeilt sind, verleiht sie der Musik eines indischen Ragas Ausdruck. Dieser melancholische Gesang soll der um das Ende der Regenzeit bitten. Die übrigen Tänzer stehen wartend am Rand. Von Zeit zu Zeit fallen sie in kurzen Tanzsequenzen mit ein. Sie bewegen sich zwischen Lethargie, Aufwallung, Müdigkeit und Aufbegehren. Gegenseitig fangen sie sich auf, wenn einer von ihnen zusammenzusinken droht. Sofort wird er zur Seite getragen. Oft wirkt es so, als würden sie einander von ihren knappen Energie abgeben. Sie berühren sich und der andere regt sich wieder und kann weiter tanzen. Ihre Gemeinschaft besteht aus Einzelwesen und bildet doch eine Einheit, die sich zusammen am Leben - Tanzen - erhalten.

Viele Zuschauer mussten sich erst in die ungewohnte Musik des ersten Stückes "Raga for the Rainy Season" einhören. Leichter fiel dies bei dem zweiten Stück "Love supreme" der erfolgreichen Compagnie Rosas zu dem Stück von David Coltrane. Vier Tänzer interpretieren die Instrumente des legendären Jazzstückes auf ihre Weise. Jeder übernimmt einen Part. Auch hier wird kontrastreich mit den Elementen des Einzel- und Zusammenspiels gespielt. In improvisierten Soloparts überlassen die drei anderen ganz wie auf der Clubbühne dem Solisten den Raum. Doch beim Zusammenspiel der vier Instrumente inspirieren und unterstützen sie sich gegenseitig. Dann bilden die Tänzer zwei Duos oder ein Quartett, das sich die Töne weiterreicht und sich zu immer neuen Variationen anregt. Hier beeindrucken besonders die beiden weiblichen Tänzerinnen, die mit ihren musikalischen Spiegelbildern zu verschmelzen scheinen. Das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten K6 belohnte die Kampnagelpremiere der Choreographen Anne Teresa De Keersmaeker und Salva Sanchis mit lang anhaltendem Applaus.

Birgit Schmalmack vom 31.8.05