Borrowed Light


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Sakrale Lebenswelt

Von Nebel umgeben, nur in einen Lichtstreifen getaucht schwingt sich eine Frau in derben Schuhen und weit schwingendem, schwarzem Rock in einen Rhythmus, den nur sie hört. Außer ihren stampfenden Füßen vernimmt man keinen Ton. Bald fallen die übrigen Tänzer, die bisher nur am Rand zu erahnen waren, mit ein. Auch die Männer tragen weite Mäntel zu ausgestellten Hosen. Plötzlich ertönt ein glockenheller zarter Sopran und singt eine schöne getragene Melodie, die von Gottesglaube, Hingabe und Entsagung spricht.

Gesungene Musik trifft bei "Borrowed Light" auf Tanz. Die acht Sänger der Boston Camerata sind dabei ebenso Bestandteil der Choreographie von Theo Saarinen wie die Tänzer. Eigentlich sollten auch sie acht sein, doch eine Tänzerin fiel aufgrund einer Verletzung aus. Die Sänger bewegen sich zwischen ihnen und nutzen wie sie den Stufenaufbau der Bühnengestaltung. Durch die sorgsame Lichtregie versinken sie mal im Schatten und tauchen bald darauf in einem Lichtkegel wieder auf.

Sakral, streng, düster wirken die Bilder, die Saarinen findet, doch auch ekstatisch, emphatisch und hingebungsvoll. Er nähert sich mit ihnen dem Leben und Denken der Shaker. In Enthaltsamkeit leben und arbeiten bei ihnen die Männer und Frauen nebeneinander, verbunden nur durch ihre Glaubensgemeinschaft. Man hört die sakralen Shakerlieder der Sänger. Dazu sieht man die Tänzer nebeneinander Feldarbeit verrichten, zusammen Andacht halten, um die Nähe zu Gott ringen und in Ekstase versunken tanzen. Saarinen zeigt eindrücklich, wie sie sich in ihrem Glauben bestärken und mitreißen: An ihren dicken braunen Ledergürtel ziehen sie sich gegenseitig in die Höhe, wenn einer von ihnen in seinem Elan nachzulassen droht.

Die strenge, klar strukturierte und durchdachte Arbeit des Finnen Saarinen gewährt einen eindrucksvollen Einblick in die Welt einer abgeschlossenen Glaubenskommune.

Birgit Schmalmack vom 2.9.06